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Die Lebensfreude

Die Lebensfreude

Titel: Die Lebensfreude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola
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Wasser wird gleich heiß sein.«
    Lazare hörte sie auf der Treppe brummen, es sei empörend, ein Tier so zu schlagen; er werde schließlich sie auch noch schlagen, wenn sie da bleibe. Er, der gewöhnlich auf den Knien vor der Mutter lag, machte eine gereizte Miene hinter ihr her. Minute für Minute kam er zurück, um einen Blick auf Pauline zu werfen. Von dem Fieber verzehrt, schien sie völlig bewußtlos, und in dem erschauernden Schweigen des Zimmers war nichts weiter mehr von ihr vorhanden als das Rasseln ihres Atems, das in ein Röcheln des Todeskampfes überzugehen schien. Von neuem packte ihn die törichte, unsinnige Furcht: sie werde sicher ersticken, wenn keine Hilfe komme. Er wanderte von einer Ecke des Zimmers in die andere und befragte unaufhörlich die Wanduhr. Es war knapp drei Uhr, Veronika also noch nicht einmal beim Arzte angelangt. Er folgte ihr auf der Straße nach Arromanches durch die schwarze Nacht: Sie war am Eichenwald vorübergekommen, dann an die Brücke gelangt und konnte fünf Minuten gewinnen, wenn sie das Ufer im Laufschritt hinunterging. Ein heftiges Verlangen, etwas zu hören, veranlaßte ihn das Fenster zu öffnen, trotzdem er in diesem Abgrunde von Finsternis nichts unterscheiden konnte. Ein einziges Licht schimmerte von Bonneville herauf, wahrscheinlich die Laterne eines auf das Meer hinausfahrenden Schiffes. Eine todesbange Finsternis, eine unendliche Verlassenheit breitete sich draußen aus; er glaubte zu spüren, wie in ihr alles Leben dahinfloß und erlosch. Er schloß das Fenster, dann öffnete er es wieder, um es bald abermals zu schließen. Das Verständnis für Zeit und Stunde schwand ihm schließlich, er wunderte sich, als es drei Uhr schlug. In diesem Augenblicke hatte der Doktor schon anspannen lassen, und der Wagen rollte bereits auf der Landstraße dahin, mit dem gelben Auge seiner Laterne die Schatten durchbohrend. Lazare war vor Ungeduld bei der wachsenden Erstickungsnot der Kranken schon so stumpfsinnig, daß er wie aus dem Schlafe auffuhr, als gegen vier Uhr jemand in raschen Schritten die Treppe heraufkam.
    »Endlich sind Sie da!« rief er.
    Doktor Cazenove ließ sofort ein zweites Licht anzünden, um Pauline zu untersuchen. Lazare hielt die eine, während die vom Winde zerzauste und bis zu den Lenden mit Kot beschmutzte Veronika die andere dem Kopfende des Bettes näherte. Frau Chanteau schaute zu. Die schlaftrunkene Kranke konnte nicht ohne Äußerung des Schmerzes den Mund öffnen. Als der bei seinem Eintritt höchst besorgte Arzt sie wieder sanft gebettet hatte und in die Mitte des Zimmers zurücktrat, zeigte er eine ruhigere Miene.
    »Veronika hat mir eine schöne Furcht eingejagt«, brummte er. »Nach ihrer übertriebenen Erzählung glaubte ich an eine Vergiftung ... Wie Sie sehen, habe ich mir die Taschen mit Arzeneien vollgestopft.«
    »Es ist eine Bräune, nicht wahr?« fragte Lazare.
    »Ja, eine einfache Bräune ... Eine unmittelbare Gefahr liegt nicht vor.«
    Frau Chanteau machte eine triumphierende Miene, um auszudrücken, daß sie es vorher gewußt habe.
    »Keine unmittelbare Gefahr,« wiederholte Lazare, von neuem von Besorgnissen heimgesucht: »befürchten Sie Verwicklungen?«
    »Nein,« erwiderte der Arzt nach einigem Zögern, »aber bei diesen verwünschten Halsleiden weiß man nie, woran man ist!«
    Er gestand, daß nichts zu machen sei, und wollte den nächsten Morgen abwarten, um die Kranke zur Ader zu lassen. Als der junge Mann bat, daß ihr wenigstens eine Erleichterung verschafft werde, wollte er es mit Senfpflasterumschlägen versuchen. Veronika machte einen Kessel heißes Wasser zurecht, der Arzt legte selbst die eingeweichten Blätter auf und ließ sie die Beine hinunter, von den Knien bis zu den Knöcheln gleiten. Dies war jedoch nur ein Leiden mehr, das Fieber blieb beständig, der Kopfschmerz wurde unerträglich. Auch erweichende Gurgelungen waren angezeigt, und Frau Chanteau bereitete einen Aufguß von Brombeerblättern, den man jedoch nach dem ersten Versuch wieder beiseitestellen mußte, weil der Schmerz jegliche Bewegung der Gurgel unmöglich machte. Es war fast sechs Uhr, der Tag brach an, als der Arzt sich zurückzog.
    »Ich werde gegen Mittag wiederkommen«, sagte er zu Lazare im Flur. »Beruhigen Sie sich ... Zwar wird sie leiden müssen, aber es ist keine Gefahr vorhanden.«
    »Leiden ist also nichts!« rief der junge Mensch, den das Übel aufbrachte. »Man sollte nicht leiden.«
    Der Arzt sah ihn an, dann hob er vor einer so

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