Die leere Wiege: Roman (German Edition)
sagte sie mit fester Stimme. »Ich werde Jason nie wiedersehen. Das verspreche ich dir.«
Meine Erleichterung war unbeschreiblich, als wäre mein Herz plötzlich leicht wie eine Feder. »Danke.«
»Dafür wirst du Luke und mich nie mehr wiedersehen. Hast du verstanden, Rose?«
O ja, ich hatte verstanden. Jedes Wort. Es war vorbei. Emma würde auf dich verzichten, und dafür würde ich Luke verlieren. Ich willigte ein.
Emma machte kehrt und verschwand.
Als ich kurz darauf den Wagen startete, zitterten meine Hände. Ich hatte Luke verloren. Zum zweiten Mal in meinem Leben war mir ein Baby genommen worden.
Mein Schmerz wegen Joels Tod und Lukes Verlust verschmolzen zu einem einzigen Gefühl großen Leids, sodass ich im Nachhinein kaum weiß, wie ich es damals schaffte, den Wagen zu lenken. Mir fiel nur ein einziger Ort ein, zu dem ich fahren konnte, der einzige Ort, der noch Bedeutung für mich hatte – Joels Grab.
Inzwischen waren auch die letzten Blumen vertrocknet, und ich zupfte die welken Blüten ab. Seit jenem Tag mit Emma hatte ich das Grab nicht mehr besucht. So sehr hatten mich die Gedanken an deine Untreue und meine Liebe zu deinem noch lebenden Sohn beschäftigt, dass ich vergessen hatte, mich um meinen toten Jungen zu kümmern. Aber Joel konnte ja auch nichts mehr zustoßen, und wegnehmen konnte man ihn mir auch nicht mehr.
Ein wenig getröstet kniete ich mich nieder, küsste den Namen auf dem Grabstein und fuhr mit einem Finger den Schriftzug entlang. »O Joel, mein geliebter Junge.«
Ich sprach leise, als würde er nur schlafen, und wurde sofort ruhiger. Das Schlimmste war bereits geschehen. Jetzt konnte mich nichts mehr berühren. Ganz gleich, was noch passierte, ich würde es überleben. Ich stand auf, steckte eine Hand in die Jackentasche und umfasste den Schlüssel zu Emmas Hintertür.
Ich nahm ihn heraus und drückte ihn an meine Wange, wo er sich kühl anfühlte. In Emmas Haus war ich nicht mehr willkommen, aber der Schlüssel war mir geblieben.
Doch dann wurde mir bewusst, dass die nächtlichen Besuche nicht das Wichtigste waren, denn ich wollte ja auch tagsüber bei Luke sein und nicht nur nachts still und heimlich an seinem Bettchen sitzen, um zuzusehen, wie er schlief. Künftig würde ich ihn nie mehr im Kinderwagen durch die Straßen fahren, nie mehr mit ihm Ausflüge machen, im Park mit ihm spielen, ihm in einem Kindergeschäft Spielzeug zeigen oder später im Dezember mit ihm auf den Straßen nach dem Weihnachtsmann Ausschau halten.
Die Vorstellung war mir unerträglich. Denn nur aus der Ferne Mutter sein zu können war schlimmer, als gar kein Kind zu haben.
Ich durfte nicht daran denken, dass Luke ohne mich aufwachsen würde, aber ich wusste, dass ich keine Wahl hatte.
Ich würde Luke nie mehr wiedersehen, aber dafür hatte ich dich behalten.
54.
Janie drückte das Geschenk an sich, das Rose ihr gegeben hatte. Sie liebte alle Geschenke, aber die von Rose waren die schönsten. Diesmal hatte sie etwas ganz Besonderes bekommen, denn es lag in einem Karton und war in gelbes Seidenpapier eingeschlagen. Janie schob das Papier zur Seite und zog ein Kleid hervor, das sie auf ihrer Matratze entfaltete und andächtig glattstrich.
Es war ein wundervolles Kleid, rosa, mit winzigen weißen Blüten um den Saum. Ärmellos war es auch und damit genau richtig für diesen heißen Sommer. Hinten war ein Reißverschluss, bei dem Rose ihr helfen musste, später, wenn sie sich wieder gefasst hatte. Arme Rose. Sie hatte so fest mit ihrer Freilassung gerechnet.
Janie streifte die Leggings und das T-Shirt ab und begutachtete ihre ausgebleichte Unterhose. Büstenhalter trug sie nie, brauchte sie auch nicht, denn sie war flach wie ein Pfannkuchen, wie ihr Vater immer gesagt hatte. Sie zog das Kleid über. Es war ein bisschen zu weit, aber so leicht und hübsch, dass es ihr trotzdem gefiel. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen, um in dem kleinen Spiegel über dem Waschbecken so viel wie möglich davon sehen zu können.
Rose hatte das Kleid aus einem Katalog bestellt und Janie den Karton überreicht, ehe sie die schlechte Nachricht erfahren hatte. Rose mochte es immer gern, wenn Janie sich hübsch machte, aber dieses Kleid hatte Janie fürs Herumschnüffeln bekommen. Und dafür, dass sie eine Kleinigkeit gestohlen hatte. Es war ganz einfach gewesen und kaum der Rede wert, nur ein Schlüssel aus dem feinen Haus im Clifton Drive. Jenem Haus, in dem der rosa Babystuhl mit den gelben Sternen
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