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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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würde die Verteidigung trotz der Verstärkung unter einem ungeheuren Druck stehen. Die erste Schlacht auf Eldibar, Mauer Eins, würde die Männer entweder aufrichten oder zerstören. Die Kampfkraft in Dros Delnoch war groß genug, doch der richtige Geist war eine andere Sache. Man kann eine Schwertklinge aus feinstem Stahl schmieden, von vergänglicher Güte, aber gelegentlich verursacht der Wechsel von Feuer ins Wasser einen Bruch, wo Klingen aus schlechterem Stahl standhielten. Eine Armee war genauso, und das wußte Druss. Er hatte gesehen, wie hervorragend ausgebildete Männer in Panik geraten und davongelaufen waren, und Bauern, die ihre Stellung gehalten hatten, nur mit Piken und Hacken bewaffnet. Bowman und seine Bogenschützen übten jetzt jeden Tag auf Kania, Mauer Drei, die die längste Ausdehnung zwischen den Bergen hatte. Die Männer waren unübertrefflich. Diese sechshundert Bogenschützen konnten alle zehn Herzschläge dreitausend Pfeile in die Luft schicken. Der erste Angriff würde die Nadir fast zwei Minuten lang in ihre Reichweite bringen, ehe die Belagerungsleitern die Mauern erreichten. Die angreifenden Krieger würden auf dem offenen Gelände schreckliche Verluste erleiden. Es würde ein furchtbares Blutbad geben. Aber würde das reichen?
    Sie würden vor der größten Armee stehen, die es je gegeben hatte, eine Horde, die im Laufe von zwanzig Jahren ein Reich aufgebaut hatte, das sich über fünf Länder und hundert Städte erstreckte. Ulric stand kurz davor, das größte Reich der Geschichte zu schaffen, ein gewaltiges Ziel für einen Mann, der noch nicht einmal fünfzig war. Druss wanderte über die Brustwehr, plauderte hier und da mit einem Soldaten, machte Scherze und lachte mit ihnen. Ihr Haß auf ihn hatte sich in den letzten Tagen aufgelöst wie Frühnebel in der Sonne. Sie sahen in ihm jetzt das, was er war: ein eiserner alter Mann, ein Krieger aus der Vergangenheit, ein lebendes Echo uralter Glorie.
    Sie erinnerten sich daran, daß er sich entschlossen hatte, ihnen zur Seite zu stehen. Und sie wußten warum. Dies war der einzige Ort auf der ganzen Welt für den letzten der alten Helden: Druss die Legende, mit der letzten Hoffnung der Drenai auf der Brustwehr der größten Festung stehend, die je gebaut worden war, und auf die größte Armee der Welt wartend. Wo sonst hätte er sein sollen?
    Langsam scharte sich die Menge um ihn, und immer mehr Männer machten sich auf den Weg zu Eldibar. Nach kurzer Zeit mußte sich Druss seinen Weg durch die Massen bahnen, während sich auf dem freien Feld hinter der Mauer noch mehr einfanden. Er kletterte auf die Zinnen und wandte sich an sie. Seine Stimme erscholl, und alle Gespräche erstarben.
    »Seht euch um!« rief er. Die Sonne glitzerte auf seinen silbernen Schulterstücken und der schwarzen Lederweste, sein weißer Bart schimmerte. »Seht euch jetzt um. Die Männer, die ihr seht, sind eure Kameraden – eure Brüder. Sie werden mit euch leben und für euch sterben. Sie werden euch schützen und für euch bluten. Niemals mehr werdet ihr eine solche Kameradschaft kennenlernen. Und wenn ihr so alt werden solltet, wie ich es bin, werdet ihr euch immer an diesen und die vor uns liegenden Tage erinnern. Ihr werdet euch mit einer Klarheit daran erinnern, die ihr nie für möglich gehalten hättet. Jeder Tag wird wie ein Kristall sein, der in euren Gedanken funkelt.
    Ja, es wird Blut und Verwüstung geben, Qualen und Schmerzen, und ihr werdet euch auch daran erinnern. Aber über all dem werdet ihr den süßen Geschmack des Lebens spüren. Und nichts läßt sich damit vergleichen, meine Freunde!
    Ihr könnt einem alten Mann glauben, wenn er das sagt. Vielleicht denkt ihr jetzt, daß das Leben süß ist. Aber wenn der Tod nur noch einen Herzschlag entfernt ist, wird das Leben unerträglich begehrenswert. Und wenn ihr überlebt, wird alles, was ihr tut, verstärkt und von einer größeren Freude erfüllt sein: der Sonnenschein, der Wind, ein guter Wein, der Kuß einer Frau, das Lachen eines Kindes.
    Das Leben ist nichts, wenn man nicht dem Tod ins Angesicht gesehen hat.
    In künftigen Zeiten wird man sagen: ›Ich wünschte, ich wäre dabeigewesen.‹ Aber dann spielt die Ursache keine Rolle mehr. Ihr steht an einem erstarrten Moment der Geschichte. Die Welt wird sich ändern, wenn diese Schlacht vorüber ist – entweder werden die Drenai wieder aufsteigen, oder es wird der Beginn eines neuen Reiches. Ihr seid jetzt Teil der Geschichte.« Druss

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