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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Stufen, die zum Dach hinaufführen. Nun nehme man eine zweite Kiste und setze sie auf die erste. Sichere das ganze mit Eisennägeln. Noch eine dritte Kiste obenauf, und fertig ist der Turm. Er war verhältnismäßig einfach zusammenzubauen und wieder auseinanderzunehmen, und die Bauteile konnten auf Wagen verstaut und dorthin geschafft werden, wo der General sie brauchte.
    Aber auch wenn die Idee einfach war, die praktische Ausführung war von vielen Problemen behindert worden. Die Decken brachen unter dem Gewicht bewaffneter Männer zusammen, die Wände gaben nach, die Räder barsten, und – am schlimmsten – sobald die Konstruktion höher als zehn Meter war, wurde sie instabil und neigte dazu, umzukippen.
    Khitan dachte daran, wie er über ein Jahr härter geschuftet hatte als seine Sklaven und weniger als drei Stunden die Nacht geschlafen hatte. Er hatte die Decken verstärkt, aber dadurch war lediglich die gesamte Konstruktion schwerer und weniger stabil geworden. Verzweifelt hatte er Ulric davon berichtet. Der Kriegsherr der Nadir hatte ihn nach Ventria geschickt, damit er an der Universität von Tetullus studieren konnte. Er hatte das Gefühl gehabt, entehrt und gedemütigt worden zu sein. Dennoch hatte er gehorcht. Er hätte alles erduldet, um Ulric zu gefallen.
    Aber er hatte sich geirrt, und das Jahr, das er bei Rebow, dem ventrischen Gelehrten, studiert hatte, war zur schönsten Zeit seines Lebens geworden.
    Er hatte gelernt, was Massenzentren sind, parallele Vektoren, und er lernte das notwendige Gleichgewicht zwischen inneren und äußeren Kräften kennen. Sein Wissensdurst war kaum zu stillen, und Rebow stellte fest, daß er den häßlichen Nadir ins Herz geschlossen hatte. Es dauerte nicht lange, bis der schlanke Ventrier Khitan in sein Haus einlud, wo sie ihre Studien bis tief in die Nacht fortsetzten. Der Nadir war unermüdlich. Oft schlief Rebow in seinem Stuhl ein, nur um einige Stunden später aufzuwachen und den kleinen, einarmigen Khitan immer noch über den Aufgaben zu finden, die er ihm gestellt hatte. Rebow war begeistert. Selten hatte ein Schüler solche Fähigkeiten gezeigt, und niemals hatte er einen Mann getroffen, der so hart arbeiten konnte.
    Jede Kraft, lernte Khitan, besaß eine gleiche entgegengesetzte Kraft. Ein Kranbalken, zum Beispiel, der an der Spitze einen Druck ausübt, muß am unteren Ende seines Stützbalkens einen gleichen, entgegengesetzten Druck ausüben. Khitans Einführung in die Welt der Stabilität bestand darin, daß er das Wesen von Kräften verstehen lernte.
    Für ihn war die Universität von Tertullus so etwas wie das Paradies.
    Am Tag, als er sich auf die Heimreise machte, weinte der kleine Stammesmann, als er den gerührten Ventrier umarmte. Rebow hatte ihn angefleht, es sich noch einmal zu überlegen, eine Stelle an der Universität anzunehmen, aber Khitan brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, daß ihn das nicht im mindesten reizte. Er schuldete sein Leben einem einzigen Mann und träumte von nichts anderem, als ihm zu dienen.
    Als er wieder zu Hause war, begann er zu arbeiten. Während des Baus wurden die Türme schichtweise angeordnet und erhielten eine künstliche Grundplatte, die fünfmal so groß war wie der eigentliche Sockel. Während die Türme in Position gebracht wurden, waren nur die beiden ersten Ebenen bemannt, so daß tief unten ein Massegewicht erzeugt wurde. Sobald sie an einer Mauer standen, wurden Seile vom Turm herabgeworfen und mit Eisennägeln im Boden verankert, wodurch Stabilität entstand. Die Räder bekamen eiserne Speichen und Kränze, und jeder Turm erhielt acht Räder, damit das Gewicht gut verteilt war.
    Khitan setzte sein Wissen ein, um Katapulte und Wurfgeschosse zu entwerfen. Ulric war hocherfreut und Khitan begeistert.
    Sich wieder der Gegenwart zuwendend, kletterte Khitan auf die Spitze des Turms und befahl den Männern, die verankerte Plattform an der Vorderseite herabzulassen. Er betrachtete prüfend die Mauern, die noch dreihundert Schritt entfernt waren, und sah den schwarzgekleideten Todeswanderer auf der Brustwehr lehnen.
    Die Mauern waren höher als in Gulgothir, und Khitan fügte jedem Turm noch eine Ebene hinzu. Er befahl, die Plattform wieder hochzuhieven, prüfte die Spannung in den Halteseilen und kletterte durch die fünf Ebenen hinunter, hier und da innehaltend, um Verstrebungen oder Knoten zu überprüfen.
    Heute abend würden seine vierhundert Sklaven unterhalb der Mauern an die Arbeit gehen, um den

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