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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Feuer, alter Mann – laut und hohl«, sagte der Herold. »Wir kennen eure Stärke. Ihr habt vielleicht zehntausend Mann. Die meisten davon Bauern. Wir wissen alles, was es zu wissen gibt. Seht euch die Armee der Nadir an! Könnt ihr dagegen bestehen? Wo liegt der Sinn darin? Unterwerft euch. Unterwerft euch der Gnade meines Herrn.«
    »Bürschchen, ich habe die Größe eurer Armee gesehen, und sie beeindruckt mich nicht. Ich hätte Lust, die Hälfte meiner Männer auf ihre Bauernhöfe zurückzuschicken. Was seid ihr schon? Ein Haufen dickbäuchiger, krummbeiniger Nordländer! Ich höre, was du sagst. Aber erzähl mir nicht, was ihr alles tun könnt. Zeigt es mir! Und jetzt genug des Redens. Von nun an wird das meine Rede sein!« Er schwenkte Snaga, so daß Sonnenlicht auf der Klinge glitzerte.
    Unter den Soldaten stieß Gilad Bregan in die Seite. »Druss die Legende!« intonierte er, und Bregan fiel mit einem Dutzend anderer ein. Wieder schwoll der Gesang an, als der Herold sein Pferd wendete und davonstob, verfolgt von ohrenbetäubendem Lärm:
    »DRUSS DIE LEGENDE! DRUSS DIE LEGENDE!«
    Druss beobachtete schweigend, wie die riesigen Belagerungsmaschinen zentimeterweise auf die Mauern zurückten, gewaltige hölzerne Türme, zwanzig Meter hoch und sechs Meter breit. Wurfgeschütze zu Hunderten, ungeschlachte Katapulte auf großen hölzernen Rädern. Unzählige Männer zerrten und zogen an Tausenden von Seilen und rückten die Maschinen, die Gulgothir erobert hatten, an ihren Platz.
    Der alte Krieger studierte das Bild, das sich ihm dort unten bot, und suchte nach dem legendären Kriegsmeister Khitan. Es dauerte nicht lange, bis er ihn ausgemacht hatte. Er war der ruhende Pol in einem Wirbel von Aktivität, das Auge des Sturms. Wo er war, wurde die Arbeit unterbrochen, wenn er seine Anweisungen erteilte, um dann mit erneuerter Intensität fortgesetzt zu werden.
    Khitan blickte zu den hoch aufragenden Befestigungen empor. Er konnte Todeswanderer nicht sehen, aber er spürte seine Gegenwart und grinste.
    »Mit einer Axt kannst du mich nicht aufhalten«, flüsterte er.
    Müßig kratzte er sich den narbigen Stumpf seines Arms. Seltsam, daß er nach all den Jahren immer noch seine Finger spürte. Die Götter waren gnädig gewesen an jenem Tag, als die Steuereintreiber von Gulgothir sein Dorf überfielen. Er war damals kaum zwölf gewesen, und sie hatten seine Familie erschlagen. Um seine Mutter zu schützen, war er mit dem Dolch seines Vaters vorgestürmt. Ein herabsausendes Schwert hatte seine Hand durch die Luft sausen lassen, bis sie neben dem Körper seines Bruders landete. Dasselbe Schwert hatte sich in seine Seite gebohrt.
    Bis zum heutigen Tag konnte er nicht erklären, warum er nicht gestorben war wie die anderen Dorfbewohner, geschweige denn, warum Ulric soviel Zeit mit dem Versuch zubrachte, ihn zu retten. Ulrics Männer hatten die Mörder überrascht und in die Flucht geschlagen und dabei zwei Gefangene gemacht. Dann hatte ein Krieger die Toten durchsucht und dabei Khitan gefunden, der kaum noch lebte. Sie hatten ihn mit in die Steppe genommen und in Ulrics Zelt gebracht. Dort hatten sie den blutenden Stumpf mit kochendem Teer verschlossen und die Wunde an seiner Seite mit Baummoos behandelt. Fast einen Monat lang war er nur halb bei Bewußtsein und ständig im Fieberwahn. Er hatte nur eine Erinnerung an diese schreckliche Zeit, eine Erinnerung, die er mit sich tragen würde bis zu dem Tag, an dem er starb.
    Wenn er seine Augen öffnete, sah er ein Gesicht über sich, stark und fesselnd. Die Augen waren violett, und er spürte ihre Kraft.
    »Du wirst nicht sterben, Kleiner. Hörst du?« Die Stimme war sanft, aber wenn er wieder in Alpträume und Fieberwahn versank, wußte er, daß die Worte kein Versprechen waren, sondern ein Befehl.
    Und Ulrics Befehlen wurde gehorcht …
    Seit jenem Tag hatte Khitan jeden wachen Moment damit verbracht, dem Herrscher der Nadir zu dienen. Im Kampf war er unbrauchbar, also hatte er gelernt, seinen Verstand zu gebrauchen, um die Mittel zu ersinnen, mit denen sein Herr sein Reich errichten konnte.
    Zwanzig Jahre Krieg und Plünderung. Zwanzig Jahre wilder Freude.
    Mit seiner kleinen Helfergruppe bahnte sich Khitan einen Weg durch die Scharen der Krieger und betrat den ersten der zwanzig Belagerungstürme. Sie waren sein ganzer Stolz. Von der Idee her waren sie verblüffend einfach. Man nehme eine hölzerne Kiste, an drei Seiten geschlossen und vier Meter hoch. Darin baue man

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