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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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möchtest?«
    »Nein. Ich bin noch nie ein großer Redner gewesen, und ich habe nur selten das Bedürfnis, meine Ängste mit jemandem zu teilen. Nein, ich wollte dich merken lassen, daß ich dir vertraue. Ich möchte, daß du Mendars Stelle übernimmst. Ich befördere dich zum Dun.«
    »Das will ich nicht«, entgegnete Gilad hitzig.
    »Glaubst du, ich hätte diese Verantwortung gewollt? Warum, meinst du wohl, habe ich die ganze Zeit hier verbracht? Ich versuche, dir verständlich zu machen, daß wir oft – sogar meistens – gezwungen sind, etwas zu tun, vor dem wir Angst haben. Du wirst die Stelle morgen antreten.«
    »Warum ich?«
    »Weil ich dich beobachtet habe und glaube, du hast Talent zum Anführer. Du hast mich beeindruckt, wie du deine zehn Mann angeführt hast. Und du hast Orrin bei diesem Wettrennen geholfen. Das war Stolz. Ich brauche dich und andere deiner Art.«
    »Ich habe keine Erfahrung«, wandte Gilad ein, wohl wissend, wie lahm das klang.
    »Die wird schon kommen. Denk daran: Dein Freund Bregan ist kein Soldat, und einige deiner Männer werden beim ersten Angriff sterben. Ein guter Offizier kann einige von ihnen retten.«
    »Na schön. Aber ich kann es mir nicht leisten, im Offizierskasino zu essen oder die Rechnung eines Waffenschmiedes zu bezahlen. Ihr werdet mir die Uniform zur Verfügung stellen müssen.«
    »Mendars Sachen müßten dir passen, und du wirst sie ehrenvoller tragen.«
    »Danke. Du hast eben gesagt, du wärst hergekommen, um zu sterben. Heißt das, daß wir nicht gewinnen können?«
    »Nein, das heißt es nicht. Vergiß, was ich gesagt habe.«
    »Verdammt, Druss, behandle mich nicht so von oben herab! Du hast gerade von Vertrauen gesprochen. Nun, ich bin jetzt Offizier, und ich habe dir eine direkte Frage gestellt. Ich werde es nicht weitersagen. Also, vertrau mir.«
    Druss lächelte und blickte dem zornigen jungen Wachposten in die Augen.
    »Sehr schön. Langfristig haben wir keine Chance. Jeder Tag bringt uns einem Sieg der Nadir näher. Aber wir werden sie teuer bezahlen lassen. Das kannst du mir glauben, mein Junge, denn das sagt die Legende.«
    »Laß die Legende aus dem Spiel«, sagte Gilad und erwiderte das Lächeln des anderen. »Das ist der Mann, der fünf Attentäter in einer finsteren Gasse überwältigt hat.«
    »Überschätze mich deswegen nicht, Gilad. Alle Männer haben irgendwelche Begabungen. Manche bauen, einige malen oder schreiben, einige kämpfen. Für mich ist das anders. Ich hatte schon immer eine Begabung, mit dem Tod umzugehen.«
     
    Das Mädchen ging die Brustwehr entlang, ohne die Bemerkungen der Soldaten zu beachten. Ihr kastanienbraunes Haar schimmerte in der Morgensonne; die langen, schlanken, gebräunten Beine waren Ziel vieler freundlicher, wenn auch anzüglicher Kommentare der Soldaten. Sie lächelte einmal, als sie einen Mann im Vorübergehen murmeln hörte: »Ich glaube, ich bin verliebt.« Sie warf ihm einen Kuß zu und winkte.
    Bowman lächelte und schüttelte leicht den Kopf. Er wußte, daß Caessa ihren Auftritt genoß. Wer wollte es ihr bei der Figur auch verübeln? So groß wie die meisten Männer, gertenschlank und anmutig, war jede ihrer Bewegung das Versprechen höchsten Vergnügens für jeden Mann, der sie ansah. Körperlich, dachte Bowman, ist sie die vollkommene Frau. Die Frau schlechthin.
    Er beobachtete, wie sie eine Sehne auf ihren Langbogen legte. Jorak sah Bowman fragend an, doch er schüttelte den Kopf. Die anderen Bogenschützen mußten zurückstehen. Dies war Caessas Moment, und nach einem solchen Auftritt hatte sie ein wenig Beifall verdient.
    Hundert Schritt von der Mauer entfernt hatte man Strohpuppen aufgestellt. Die Köpfe waren gelb angemalt, die Körper rot. Es war eine normale Entfernung für einen guten Bogenschützen, aber von einer Brustwehr herunterzuschießen, machte die Sache um einiges schwieriger.
    Caessa griff über die Schulter zu ihrem rehledernen Köcher und zog einen schwarzgefiederten Pfeil heraus. Sie prüfte, ob er gerade war, dann legte sie ihn auf die Sehne.
    »Kopf«, sagte sie.
    Mit einer fließenden Bewegung zog sie die Sehne zurück, bis sie ihre Wange berührte, und ließ den Pfeil los. Er schoß durch die Morgenluft und traf kraftvoll den Hals der nächststehenden Puppe. Die zuschauenden Männer brachen in begeisterten Beifall aus, und Caessa warf Bowman einen Blick zu. Er hob eine Braue.
    Noch fünf weitere Pfeile landeten in der Strohpuppe, ehe Bowman als Signal für die anderen

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