Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
überhaupt Prinzessin sein? Warum leben wir nicht wie die normalen Leute in der Stadt?“
Nomo zog die Mundwinkel nach unten und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Dabei starrte sie an ihrer Mutter vorbei aus dem Fenster.
„Diese Diskussion hatten wir doch schon so oft, Kind. Ohne Wachen wäre es viel zu gefährlich, darüber werde ich nicht noch einmal mit dir debattieren. Du bist nun einmal die Prinzessin, das ist nicht mehr zu ändern. Es ist an der Zeit, diesen Umstand endlich anzuerkennen, schließlich bist du fast erwachsen. Du kannst dich darüber bei deinem Onkel beschweren. Schließlich hat er mich an deinen Vater verkauft“, entgegnete Lebell.
Nomo schnaubte kurz, drehte sich dann um und stürmte aus dem Zimmer.
„Wo willst du hin?“, fragte Lebell.
„Zu Onkel Houst. Ich soll mich doch bei ihm beschweren“, antwortete Nomo schnippisch.
„Bei den Alten, Kind! Der alte Zausel setzt dir doch nur wieder neue Flausen in den Kopf“, rief ihr Lebell hinterher und schlug dabei beide Hände auf den Kopf.
***
„Ihr habt ihn gefunden?“, fragte Kirai die Wache.
„Ja Herr, er ist bereits im Verhörzimmer“, antwortete der Wachmann.
„Gut, gehen wir.“
Das Verhörzimmer lag im Keller eines Wachturms ganz am Rande des Palastes, weit weg von den Wohngebäuden der Beseelten. Es war ein kleiner, kalter und feuchter Raum, eine Ruine der Alten. Den Turm hatte man einfach darauf gebaut. Wie in den meisten Ruinen der Alten bestanden auch die Wände des Verhörzimmers aus Beton, diesem glatten Stein also, den die Alten irgendwie selbst hergestellt hatten. Keiner der Forscher konnte bisher sagen wie. Kirai war das egal, es gab interessantere Errungenschaften der Alten. Für ihn zählte nur, dass der Raum seinen Zweck erfüllte, und dies tat er in hervorragender Weise. War die Tür zum Verhörzimmer geschlossen, hörte man nicht einmal mehr im Turm darüber die Schreie.
Der Mann stand in der Mitte des Raumes. Das bisschen Licht, das durch die geöffnete Tür eindrang, als Kirai eintrat, erhellte ihn kaum. Er hatte den Kopf leicht zwischen die Schultern gezogen und rieb sich mit den Händen über die Oberarme. Von seinen Haaren tropfte noch das Wasser, mit dem ihn die Wachen übergossen hatten. Eine Maßnahme, die sich in Vorbereitung auf ein Verhör als sehr wirksam herausgestellt hatte. Es war kalt hier unten, der Mann war nackt. Kirai legte den kleinen Schalter an der Wand um, an der Decke flackerten zwei Röhren auf und tauchten das Verhörzimmer plötzlich in ein kaltes, helles Licht. Der Mann kniff geblendet die Augen zusammen. Das Licht war eine weitere Hinterlassenschaft der Alten. In ein paar Stunden würde es erst schwächer, noch ein, zweimal aufflackern, bevor es ganz erlosch. Doch zumindest in den Sommermonaten erstrahlte es einen Tag später wieder so hell wie jetzt. Derartige Errungenschaften der Alten interessierten Kirai schon eher. Er hätte einiges dafür gegeben, zu wissen, wie dieses Licht funktionierte. Jetzt hatte er jedoch wichtiger Aufgaben. Seine Hände in den Rücken gelegt, trat Kirai nah an den Mann heran.
„Sicher hadert Ihr jetzt mit Eurem Schicksal“, begann Kirai, „fragt Euch, warum man Euch hierher gebracht hat. Lasst es mich Euch erklären. Ihr kennt Großwesir Houst?“
Der Mann nickte nur.
„Nun, das ist ja noch nichts Außergewöhnliches. Ich habe von Leuten gehört, die nicht einmal wussten, wer ihr König ist, den Großwesir aber kannten sie sehr wohl. Was nur wenige wissen, der Großwesir ist ein geradezu fanatischer Forscher. Er besitzt die größte Sammlung an Artefakten der Alten im Palast und damit im ganzen Land. Zudem weiß ich aus sicherer Quelle, dass er irgendwo in der Stadt noch eine weitere Sammlung unterhält, die jene im Palast geradezu mickrig erscheinen lässt. Ich frage mich nun, wo er diese ganzen Artefakte nur hernimmt? Auch wäre ich an einer kleinen Wegbeschreibung zu seiner Sammlung in der Stadt sehr interessiert. Ihr könnt meine Unwissenheit hier sicher ein wenig erhellen, oder?“, führte Kirai aus.
„Ich weiß nichts darüber“, antwortete der Mann.
„Oh, wie schade. Das ist nicht ganz die Antwort, die ich erhofft hatte“, sagte Kirai und winkte den beiden Wachen, die hinter ihm standen.
Der Mann wich ängstlich zurück, bis er mit dem Rücken an der Wand anstieß. Eine der Wachen versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube. Der Mann stöhnte auf und krümmte sich zusammen. Dann packten die Wachen ihn jeweils an einem
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