Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
um jeden Preis fest. Ohne die Kamele sind wir in dieser vertrockneten Einöde aufgeschmissen“, ordnete der Anführer an.
Dann scheuchte er das Lager auf, rief die restlichen Männer zu den Speeren. Weitere Fackeln wurden entzündet, Menschen wuselten durcheinander. Houst und ein paar ältere Händler schickte man, zusammen mit den Frauen und Esrins beiden Töchtern, in die Mitte des Lagers. All diejenigen, die nicht mit den Kamelen beschäftigt waren, bildeten mit Fackel und Speer bewaffnet einen Kreis um das Lager und starrten angestrengt in die Dunkelheit. Einige zitterten vor Aufregung, andere vor Angst. So mancher schrak vor seinem eigenen Schatten im flackernden Licht der Fackeln zurück. Esrin humpelte knapp hinter den Männern entlang, inspizierte jeden einzelnen, so als würde er kontrollieren, ob sie ihren Speer auch richtig herum hielten.
„Was macht Ihr hier, Krüppel? Geht zu den anderen in die Mitte!“, herrschte ihn der Karawanenanführer an.
„Ich mag vielleicht ein Krüppel sein, aber kämpfen ist eines der wenigen Dinge, von denen ich etwas verstehe. Einige Eurer Männer machen sich beinahe in die Hosen, ich kann ihre Angst riechen. Sollten sie davonrennen, werdet Ihr froh sein, das ich noch hier bin“, entgegnete Esrin und setzte seinen Kontrollgang unbeirrt fort.
Es begann mit einem Pfeifton, knapp außerhalb ihres Sichtbereichs. Ein kurzer unangenehm hoher Ton, der beinahe in den Ohren schmerzte.
„Achtung, Wüstenratten!“, rief eine junge Frauenstimme aus dem Dunkel.
Noch mehr fiepende und quiekende Geräusche waren zu hören, Dutzende Füße trappelten auf den Boden. Menschliche Schrittgeräusche mischten sich darunter, jemand keuchte. Die Fieptöne wurden frenetisch, Tumult entstand. Eine breite Staubwand zog aus der Dunkelheit auf das Lager zu. Die Männer packten ihre Speere etwas fester, einige wichen einen Schritt zurück, bis Esrin ihnen seine Krücke in den Rücken stupste. Keiner – nicht einmal der Karawanenanführer – traute sich nachsehen. Immer wieder tauchten für einen kurzen Moment Gestalten aus der Staubwand auf, einige menschlich, andere sahen aus wie Hunde. Doch beide, Mensch wie Tier, bewegten sich derart schnell, dass man ihre Konturen kaum erkannte. Vielleicht waren es auch nur Trugbilder der eigenen Angst. Die Staubwand erreichte die Männer, verschlechterte ihre Sicht noch mehr. Sie zogen sich ihre Gesichtstücher vor Mund und Nase, begannen, mit den Speeren im Nebel herumzustochern. Den Staub hielten sie damit nicht auf, etwas anderes näherte sich dem Lager nicht. Kurze Zeit später endete es. Das letzte Quieken erstarb, Schritte entfernten sich, die Luft klarte langsam auf. Zurück blieben die Nacht und das sanfte Rauschen des Windes.
***
Als Ker Mo rufen hörte, griff er instinktiv zu seinem Speer. Er hatte ihre Worte auf die Entfernung nicht verstanden, doch es klang wie eine Warnung.
„Was ist da los? Wir sollten nachsehen“, sagte Beo.
„Ich kann Euch nicht hier im Dunkeln allein lassen“, antwortete Ker.
„Und ich sagte auch, wir sollten nachsehen, gemeinsam. Vielleicht sind sie in die Hände der Fremden geraten“, entgegnete Beo.
Ker stocherte mehrmals nervös mit dem Speer im Staub vor seinen Füßen herum.
„Also gut. Aber Ihr müsst dicht hinter mir bleiben“, sagte er dann.
Beo musste unweigerlich schmunzeln. Ker nahm die Aufgabe, sie zu beschützen, wirklich ernst.
„Versprochen“, versicherte sie.
Ker lief leicht geduckt, huschte von Felsen zu Felsen. Beo folgte ihm aufrecht und weit weniger elegant. Wer außer den Nachtjägern sollte sie in der Dunkelheit schon sehen. Als Ker gerade wieder aus seiner Deckung hervor sprang, stand er plötzlich zwei Wüstenratten gegenüber. Die Tiere wichen ein Stück zurück, sie waren wohl genauso erschrocken wie er.
„Wüstenratten! Schnell an den Felsen“, zischte Ker Beo zu.
Beo sah lediglich manchmal die Augen der Wüstenratten schwach schimmern, eine große Hilfe im Kampf würde sie nicht sein. Widerspruchslos tat sie also wie ihr geheißen und zog sich an den Felsen zurück. Inzwischen hatten die beiden Ratten ihren ersten Schreck überwunden und bauten sich angriffslustig vor Ker auf. Eine der Ratten humpelte leicht, ihre Flanke war blutverschmiert. Ker ließ seinen Speer kurz vorschnellen, doch die Ratte wich mühelos aus. Die zweite Ratte nutzte die Gelegenheit und sprang auf Ker zu. Aber auch Ker hatte seit seiner letzten Begegnung mit den Ratten dazugelernt. Er trat
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