Die Legende der Dunkelheit: Thriller
schob das iPad zu Michael. »Sie können entweder einen kleinen Video-Chat mit Ihrer Freundin halten, oder …« – Lucas legte die Hand auf die Dokumentenmappe und ließ den Blick zwischen Busch und Michael hin und her wandern – »oder ich sage Ihnen, wer von Ihren Freunden alles über Sie beide ausgeplaudert hat.«
Michael sah Lucas fest in die Augen.
»Es ist egal, für wie schlau Sie sich halten«, sagte Lucas, »und es ist auch egal, ob Sie schon weiter vorausgeplant haben als ich, denn ich halte die Fäden in der Hand. Ich entscheide über KCs Schicksal … und über Ihres.« Lucas schaute auf das iPad und auf die Mappe. »Sie haben fünf Sekunden, um sich zu entscheiden, danach bekommen Sie gar nichts.«
Michael hielt das iPad in der Hand, und obwohl das Kameralicht bereits grün aufleuchtete, war der Bildschirm immer noch schwarz. Er saß allein in seinem Zimmer. Busch, Lucas und Jon waren in Buschs Suite gegangen, damit Michael eine Weile ungestört war.
Plötzlich erschien KCs Gesicht auf dem Bildschirm. Das Bild war recht dunkel, der Raum nichtssagend. Ihre Augen waren gerötet vor Erschöpfung.
»Michael!«, sagte KC. »Gott sei Dank.«
»Bist du okay, KC?«, fragte Michael.
»Mir geht es gut«, erwiderte sie und strich sich das lange blonde Haar aus dem Gesicht. »Und dir?«
»Mach dir um mich keine Sorgen.«
Michael starrte sie an. Das Bild war so klar, als stünde sie leibhaftig vor ihm. Er schaute sie an, als würde er sie zum allerersten Mal sehen: ihre grünen Augen, ihr blondes Haar, ihre makellosen Lippen. Doch als er sie genauer betrachtete, fiel ihm auf, dass sie eine andere Gesichtsfarbe hatte als sonst, dass sie blass und abgekämpft aussah. Dann fiel sein Blick auf den Blutfleck auf ihrem weißen Kragen. Und Zorn wallte in ihm auf …
»Ist das Blut auf deiner Bluse? So wahr mir Gott helfe, ich –«
»Reg dich ab, ich hatte Nasenbluten.«
»Du hast doch sonst nie Nasenbluten.« Michael spürte, dass sein Herz auf einmal heftig schlug. »Wie fühlst du dich?«
»Todunglücklich«, erwiderte KC mit leiser Stimme.
»Und körperlich?«
»Müde. Viel Schlaf bekomme ich nicht gerade. Aber mach dir deswegen keine Sorgen.«
Doch Michael machte sich Sorgen. Solange er KC kannte, hatte sie noch kein einziges Mal einen Schnupfen gehabt, und sein Gefühl sagte ihm, dass seine plötzliche Furcht begründet war.
»Wo halten sie dich fest?«, fragte KC.
»In Macao. Hast du irgendeine Ahnung, wo du bist?«
»In Peking –«
»In Peking? Was machst du denn da?«
»Sie verlangen von mir, dass ich ein Artefakt aus der Verbotenen Stadt stehle; sie haben gesagt, dass sie dich töten, wenn ich es nicht tue.«
»Mmh, kommt mir bekannt vor.«
»Machen sie mit dir das Gleiche?«
»Jaaa«, erwiderte Michael. »Kannst du abhauen?«
»Und du?«
»Paul ist hier«, erwiderte Michael und wechselte das Thema.
»Wie kommt es, dass du Hilfe mitbringen durftest?«, fragte KC mit einem Lächeln. »Sag ihm, ich lasse ihn schön grüßen. Du solltest mal meine Hilfe sehen.«
»Meinst du Annie?«
»Kennst du sie?«, fragte KC verblüfft. »Sie ist doch wohl hoffentlich keine von deinen Exfreundinnen oder so. Oder doch?«
»Sei vorsichtig«, ging Michael über ihre Bemerkung hinweg. »Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie sie kaltblütig einen Mann getötet hat.«
»Oh ja«, meinte KC, »ich auch. Aber mach dir keine Sorgen, sie unterschätzt mich.«
Michael lächelte. »Den Fehler habe ich irgendwann auch mal gemacht«, sagte er.
»Und jetzt siehst du, wohin dich das gebracht hat.«
Michael musste sich zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren. KC zu sehen, als stünde sie vor ihm, stürzte ihn in ein Gefühlschaos. Einerseits war er erleichtert, dass sie am Leben war, andererseits hatte sich jetzt seine Furcht bestätigt, dass sie mit Annie zusammen war, und er wusste, dass Annie sie töten würde, sobald sie KC nicht mehr brauchte.
»Hör mir gut zu. Wenn du es geschafft hast, dieses Artefakt zu stehlen, ganz egal, was es ist, dann gib es nicht aus der Hand, denn es ist dein einziges Druckmittel. Sobald du es hergibst, brauchen sie dich nicht mehr.«
KC nickte. »Und du?«
»Du weißt, wie ich bin«, meinte Michael und grinste. »Mach dir also um mich keine Sorgen.«
Eine ganze Weile sahen sie einander schweigend an, suchten nach den richtigen Worten.
»Es tut mir so leid«, sagte KC schließlich.
»Komm, nicht jetzt.«
»Falls mir etwas passiert, will ich, dass du weißt
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