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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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hast.“
    „Ich?“ Nyroc verstand gar nichts mehr.
    „Du bist doch ein Flammenseher.“ Auch das war eine Feststellung.
    „Woher weißt du das? Ich habe es niemandem erzählt.“
    „Anscheinend weiß es doch noch jemand. Jedenfalls ist es bei dir ähnlich wie bei mir: Die Bilder, die du im Feuer siehst, sind oft nur Ausschnitte.“
    „Ja“, sagte Nyroc leise. Ja, er sah Bilder im Feuer und hörte Geräusche. Die Vierbeiner in der fremdartigen Landschaft hatte er knurren gehört. Und die eigenartige Flamme hatte tatsächlich einen grünen Rand gehabt, wie er inzwischen wusste. Das Kaninchen riss ihn aus seinen Gedanken, indem es fragte: „Hat dir das Feuer den Silberschleier-Wald gezeigt?“
    „Ich … ich weiß nicht mehr“, stotterte Nyroc. „Hast du ihn denn in deinem Netz entdeckt?“
    „Nein“, entgegnete das Kaninchen entschieden. „Nicht mal eine Blattspitze.“ Ob das Kaninchen in seinem Netz auch solche Geschöpfe erblickt hatte wie Nyroc in Gwyndors Feuer? Doch Nyroc stellte die Frage nicht, weil er sich vor der Antwort fürchtete. „Weißt du, Nyroc, ich musste das Netzlesen auch erst lernen. Ich habe dir ja schon erklärt, wie viele verschiedene Netzarten es gibt. Bestimmt gibt es auch verschiedene Arten von Feuer. Wenn du mehr Übung im Flammensehen hast, erfährst du vielleicht auch etwas über deine Zukunft.“
    „Aber wo soll ich hier ein Feuer zum Üben herbekommen? Falls es in dieser Gegend Freie Schmiede gibt, kenne ich sie nicht.“
    „Ein Waldbrand tut’s genauso gut. Du könntest natürlich auch in die Hinterlande fliegen. Dort brennt überall Feuer.“
    Nyroc fuhr zusammen, was dem Kaninchen natürlich nicht entging. „Du hast schon von den Hinterlanden gehört?“
    „Manche Euleneltern erzählen ihren Kindern Gut-Licht-Geschichten darüber.“
    „Stimmt. Die alten Ga’Hoole-Legenden aus dem Feuerzyklus.“
    „Aber das sind doch alles erfundene Geschichten, oder? In Wirklichkeit gibt es die Hinterlande nicht.“
    „Unsinn! Klar gibt es die Hinterlande.“
    „Und du meinst, ich soll dort hinfliegen?“
    „Diese Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen, Nyroc. Ich habe nur gesagt, dass du dort Erfahrung mit Feuer sammeln könntest. Die ersten Glutsammler kamen aus den Hinterlanden. Für einen Flammenseher gibt es keinen besseren Ort zum Üben.“
    „Da hast du wohl Recht. Ich fliege bald mal hin“, sagte Nyroc.
    Das Kaninchen machte ein skeptisches Gesicht, als glaubte es nicht an dieses „bald“.
    „Ich muss los“, sagte Nyroc.
    „Ja, es wird schon Abend.“
    Nyroc erschrak. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie lange sie miteinander gesprochen hatten. Die Sonne stand bereits tief. Ihre letzten, schrägen Strahlen beleuchteten die unteren Äste der Bäume. Im See spiegelte sich der leuchtend rote Himmel. Es wird höchste Zeit für mich , dachte Nyroc.
    Das Kaninchen leistete ihm noch Gesellschaft, bis die Dämmerung angebrochen war. Dann hüpfte Nyroc wieder zu dem umgestürzten Baum hinüber, der ihm nun schon so lange Unterschlupf gewährte. Er wollte sich gerade von seinem neuen Bekannten verabschieden, als ihm noch etwas einfiel.
    „Sag mal, wie heißt du eigentlich?“
    „Nenn mich einfach Karnickel.“
    „Aber du hast doch bestimmt auch einen richtigen Namen, oder?“
    „Schon. Aber den darf ich dir nicht verraten.“
    „Warum denn nicht?“
    „Weil ich dann meine Gabe verliere. Vielleicht entdeckst du meinen Namen ja eines Tages im Feuer.“
    „Na dann auf Wiedersehen, Karnickel.“
    „Wiedersehen, Nyroc.“

Nyroc warf einen letzten Blick über den Steuerbordflügel, dann nahm er Kurs nach Nordosten. Auf dem Weg nach Silberschleier musste er die Ödlande überqueren. Wie man schon am Namen erkannte, wuchsen in diesem Landstrich kaum Bäume, auf denen man zwischenlanden konnte. Nyroc war ziemlich müde, denn der Wind kam seit Stunden von vorn. Er beschloss, sich etwas zu fressen zu jagen und eine Pause einzulegen, zur Not auch auf einem Felsen. Schon aus der Luft hörte er kleine Tiere über den Felsboden trippeln. Nach seiner Begegnung mit Karnickel konnte sich Nyroc allerdings nicht vorstellen, ein Kaninchen zu schlagen. Er würde sich mit einer Ratte oder einem Streifenhörnchen begnügen.
    Nyroc ging in den Sinkflug und freute sich darüber, dass er mit dem nachgewachsenen Schwanzgefieder wieder richtig lenken konnte. Dann landete er auf einem Felsen und wartete auf das nächste Tier, das auftauchen würde.
    Er brauchte nicht lange auszuharren.

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