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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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sich nicht erweichen lassen. Nyroc streckte den Kopf aus seiner Höhle und traute seinen Augen nicht. Direkt vor ihm stand das Kaninchen auf den Hinterbeinen. Es schien einen Ast von Nyrocs umgestürztem Baum zu betrachten. Nyroc schob sich lautlos ins Freie. Das Kaninchen blieb, wo es war. Nyroc flatterte auf und packte es. Doch da bekam er den Schreck seines Lebens. Das Kaninchen schaute ihn an und sagte ärgerlich: „Lass das! Denk an die Wühlmaus!“
    „Hä?“, machte Nyroc. Noch nie hatte seine Beute mit ihm gesprochen. Sonst verfielen seine Opfer in Angststarre, wenn er sie mit seinen spitzen Fängen packte, allenfalls stießen sie leise Schmerzenslaute aus.
    „Ich meine die Wühlmaus in dem Fuchsbau.“
    Nyroc war so verdutzt, dass er den Vierbeiner tatsächlich losließ. Aber woher wusste das Kaninchen, dass er die Wühlmaus damals verschont hatte, als Nyras Suchtrupp aufgetaucht war?
    Das Kaninchen schüttelte sich und sagte: „Keine Sorge, du hast mich nicht ernsthaft verletzt. Ich hab bloß ein paar Kratzer abgekriegt.“
    Nyroc war immer noch sprachlos. Ihm war sogar ein bisschen schwindlig und er schwankte. „Krieg dich wieder ein, Kumpel.“ Das Kaninchen streckte die Pfote aus und hielt ihn fest. „Nicht, dass du noch mein Netz zerreißt. Dieses Netz hier ist nämlich eins der ergiebigsten.“
    Nyroc musterte das Kaninchen. Sein Fell war graubraun, nur die Pfoten waren schneeweiß und auf der Stirn hatte es einen halbmondförmigen weißen Fleck.
    „Ja, ich bin ein echtes Kaninchen, Kumpel. Aber an mir ist mehr dran als eine Portion Fleisch für dein Tagmahl, oder wie das bei euch Eulen heißt. Trotzdem – ich kann alles, was ein Kaninchen können muss. Ich kann mit der Nase wackeln …“, das Kaninchen wackelte mit dem rosigen Näschen, „… und mit dem Schwanz und den Ohren.“ Das Kaninchen führte auch diese Fertigkeiten vor. „Ich kann auch hoppeln. Willst du mal sehen?“ Nyroc fand immer noch keine Worte. „Nun sag doch mal was, beim Lepus!“
    Nyroc brachte mühsam heraus: „Wer oder was ist Lepus?“
    „Wer wohl? Der Große Hase natürlich!“ Das Kaninchen blickte zum Himmel. „Ihr habt Glaux, wir haben Lepus.“
    „Ach so. Und woher weißt du das mit der Wühlmaus?“
    „Da staunst du, was?“ Das Kaninchen zog die Pfote zurück. „Kannst du wieder allein stehen?“
    „Glaub schon.“
    „Dann komm mal mit.“ Das Kaninchen hoppelte zu einem großen Spinnennetz, das zwischen dem morschen Baumstamm und einem kurzen Ast gespannt war. Jeder Faden war mit Tautropfen besetzt, die wie lauter Edelsteine funkelten.
    „Schön, was?“
    Nyroc nickte. Er hatte Spinnennetze nie besonders beachtet. Ein leichter Windstoß ließ das Netz erbeben. Das Kaninchen verharrte plötzlich reglos. „Sprich mich nicht an!“, raunte es. Nyroc hatte das gar nicht vorgehabt und schwieg.
    Nach ein paar Minuten kam wieder Leben in das Kaninchen. Es drehte sich zu Nyroc um. „Hab ich’s mir doch gedacht!“
    „Was denn? Was hast du dir gedacht?“
    Das Kaninchen schlug sich mit der Vorderpfote an die Stirn. „Das hab ich dir ja noch gar nicht erklärt, oder?“
    „Nein.“ Nyroc hatte die Andeutungen allmählich satt. Gereizt fragte er: „Was für ein Kaninchen bist du denn nun?“
    „Ich kann gewisse Dinge sehen, die andere Tiere nicht erkennen können.“
    „Und diese Dinge siehst du in Spinnennetzen?“
    „Richtig. Ich bin ein Netzleser.“ Das Kaninchen deutete auf seine Stirn mit dem weißen Halbmond. „Nur Kaninchen mit diesem Zeichen besitzen diese Gabe. Was glaubst du wohl, weshalb mich nicht schon längst ein Räuber gefressen hat?“
    „Weil du ein Netzleser bist?“
    „Kluges Kerlchen.“
    „Aber was siehst du in den Spinnennetzen?“
    „Ach, dies und das …“, antwortete das Kaninchen ausweichend.
    „Hast du auch in einem Spinnennetz gesehen, wie ich die Wühlmaus wieder freigelassen habe?“
    „Unter anderem.“
    „Und was siehst du sonst noch alles?“
    „In manchen Netzen sehe ich die Vergangenheit, in anderen die Gegenwart und in wieder anderen die Zukunft. Aber niemals das ganze Bild, immer nur Ausschnitte.“
    Nyroc sprudelte aufgeregt los: „Kannst du auch meine Zukunft sehen? Was wird aus mir? Wo werde ich leben? Was werde ich tun? Werde ich irgendwann meinem Onkel Soren und den Wächtern von Ga’Hoole begegnen? Wird mich der Geisterschnabel meines Vaters mein Leben lang verfolgen?“ Was für ein Glück, dass er das Kaninchen nicht gefressen

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