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Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Titel: Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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erkennen geben. Das wäre zu riskant. Wenn sie ihn gefunden hatte, würde sie ihn zunächst von Weitem beobachten und sich erst in seine Nähe wagen, wenn sie ihn allein antraf. Gränk würde ihre Tarnung sofort durchschauen. Er kannte sie viel zu gut. Er würde sie sicher nicht verraten, aber es würde alles nur noch komplizierter machen. Siv wollte ihren Freund nicht in Schwierigkeiten bringen. Nur Gränk hatte sie es zu verdanken, dass ihr Sohn überhaupt noch am Leben war. Somit verdankte sie ihm auch ihr eigenes Leben, denn sie und ihr Sohn waren eins. Wenn ihr Sohn starb, würde sie auch sterben. Wenn sie jedoch vor ihrem Sohn starb, würde er weiterleben. Nur darauf kam es an.
    Die Wolken lichteten sich. Unter Siv lag die Insel der Glaux-Schwestern. Ihre Cousine Rorkna war dort Oberin. Siv hatte Rorkna ewig nicht gesehen und hätte ihr gern einen Besuch abgestattet, aber das kam nicht infrage. Niemand durfte wissen, dass sie in der Gegend war – Stromerkostüm hin oder her.
    Auf dem Stromertreffen hatte es Siv gut gefallen. Ihre Mutter und ihre Tanten hatten sich stets abfällig über die Stromer geäußert. Sie seien faul, ließen ihre Familien im Stich, seien schlecht erzogen und würden alles stehlen, was nicht festgefroren war. Siv fand die Stromer liebenswert. Schneeroses Gesang hatte sie zu Tränen gerührt. Wäre Siv noch Königin gewesen, hätte sie die Sängerin in ihren Palast holen lassen. Aber diese Zeiten waren ein für alle Mal vorbei. Es würde keine rauschenden Feste mit Tanz und Gesang mehr geben. Siv würde keine Kinder mehr mit H’rath bekommen. H’rath und sie würden ihr Kind nicht zusammen aufwachsen sehen. Sich das klarzumachen, tat weh. Und doch hätte ein einziger Blick auf ihren Sohn Siv für das alles entschädigt.

Hoole saß immer öfter vor dem Schmiedefeuer und schaute hinein. Das Bild in den Flammen ließ ihn nicht mehr los. Jedes Mal, wenn es wieder auftauchte, spürte er einen Stich im Magen. Inzwischen war das Bild vom Rand des Feuers in die Mitte gewandert. Größer war es auch geworden. Es schien sich um einen Vogel zu handeln, aber nicht um eine Eule. Zumindest flog der Vogel im Feuer nicht wie eine Eule. Er lag schräg in der Luft und bewegte sich unbeholfen. Und doch zog das Bild Hoole unwiderstehlich an.
    Überhaupt gingen Hoole viele Fragen durch den Kopf. Er zögerte jedoch, sich damit an Gränk oder Theo zu wenden. Er ahnte, dass seine Fragen die beiden beunruhigen würden. Oft war er trotzdem kurz davor, sich ihnen anzuvertrauen, tat es dann aber doch nicht. Mit seinen Fragen war es ähnlich wie mit dem Bild im Feuer. Sie waren da, aber er bekam sie nicht richtig zu fassen.
    Bruder Berwick war bei den dreien inzwischen ein gern gesehener Gast. Er hatte sie mehrmals zu einem Gegenbesuch eingeladen, doch Gränk erfand jedes Mal eine Ausrede. Er hatte aber nichts dagegen, dass Berwick sich mit Hoole beschäftigte. Als künftiger König sollte Hoole noch andere Eulenarten kennenlernen. Außerdem war der Glaux-Bruder ein Gelehrter. Er konnte Hoole vieles beibringen.
    Eines schönen Frühlingsabends erteilte Berwick dem jungen Prinzen seine erste Unterrichtsstunde im Fischen. Er hatte Hoole zu seiner Lieblingsbucht mitgenommen. Berwick war kein Fischuhu, trotzdem fraß er gern Fisch. Eigentlich mochte Hoole den Trangeschmack nicht, aber die zappelnden Geschöpfe zu fangen, machte bestimmt Spaß.
    Im Frühjahr war es am Bittermeer besonders schön. Gränk sagte oft, es müsste eigentlich „Süßmeer“ heißen. Der Schnee schmolz und der gefrorene Boden taute auf. Überall grünte und blühte es, sogar an den Rändern der ewigen Eisfelder.
    Es gab gelbe Gletscherlilien mit sternförmigen Blüten und kleine rosafarbene Blumen, die „Glauxtränen“ hießen, duftende Kräuter und weiches Moos. Auch Jagdbeute war trotz des strengen Winters ausreichend vorhanden.
    Hoole stand unten am Wasser. Berwick gab ihm von einer überhängenden Erle aus Anweisungen.
    „Du fliegst über der Bucht auf und ab. Sobald du einen Fisch erspähst, gehst du in den Sturzflug. Du musst die Flügel ganz eng anlegen, damit du ohne Widerstand eintauchen kannst.“
    Hoole befolgte Berwicks Rat. Das Wasser teilte sich bereitwillig, als er hineinschoss. Silberne Blasen wirbelten um ihn herum. Ihm war, als flöge er durch funkelnde Sterne. Seine Nickhaut klappte herunter. Sonst schützte das durchsichtige Häutchen die Augäpfel bei Sturm vor umherfliegendem Schmutz.
    Ein Fisch näherte sich. Hoole

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