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Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Titel: Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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genommen hatte. So etwas kam äußerst selten vor. Auch ihre Familie hatte sich sehr darüber gefreut. Nur schade, dass die Verbindung unfruchtbar geblieben war. Das kam bei ungleichen Paaren oft vor. Die meisten Dämonen störte es nicht sonderlich, aber Ygryk war darüber mehr als unglücklich. Sie schwärmte für alles, was klein und verletzlich war. Diese Vorliebe teilte sie mit ihren Artgenossen. Allerdings ging es anderen Dämonen eher darum, solchen schutzlosen Wesen genüsslich den Garaus zu machen. Es kam sogar vor, dass Dämonen ihre eigenen Kinder umbrachten und fraßen. Auch Ygryk hatte schon oft das Blut argloser Eisbärenkinder oder vorwitziger Fuchswelpen vergossen, deren Mütter auf die Jagd gegangen waren. Einen Wurf neugeborener Kaninchen zu verspeisen, war für sie immer ein Riesenspaß. Die Kaninchenmutter quiekte verzweifelt und die Jungen rissen angstvoll die Augen auf, wenn Ygryk eins nach dem anderen herunterschlang.
    Doch seit Ygryk über eigene Kinder nachdachte, empfand sie kein Vergnügen mehr an solchen Raubzügen. Ein eigenes Küken – halb Uhu, halb Dämon – wie schön wäre das! Von seinem Vater würde das Küken die kecken braunen Federohren erben. Sein Gefieder würde schwarz sein wie das seiner Mutter, aber hier und dort würden graue und braune Federn aus dem Schwarz lugen. Und es würde Plieks gelbbraune Augen haben.
    Irgendwann hatte Ygryk sich eingestanden, dass sie auf natürlichem Weg kein Kind mit Pliek bekommen konnte. Sie hatte eine Dämonenzauberin aufgesucht, die in der Eisklamm lebte. Die alte Krieth experimentierte mit Kreuzungen aus Hägsdämonen und Papageientauchern. Die Vögel, die dabei herauskamen, galten bei vielen Eulen als hässliche Missgestalten. Ygryk fand sie niedlich.
    „Mit Eiern klappt es meistens nicht“, hatte Krieth gesagt. „Am besten schnappt man sich ein noch nicht ganz flügges Küken. Man setzt seine Halb-Hägs um das Küken herum und wirkt den ersten Zauber. Er schützt das Küken vor dem Gift der Halb-Hägs. Anschließend folgt der zweite Zauber.“
    „Und was bewirkt der?“
    Krieth antwortete nicht gleich. „Was man dann tut, wird dir gar nicht gefallen. Aber es muss sein.“
    „Worum geht es denn? Für ein Kind mache ich alles!“
    Krieth hatte Ygryk forschend betrachtet. Ja, diese Dämonin wünschte sich so sehnlich ein Kind, dass sie zu allem fähig war. „Dann muss man dem Küken ein Auge ausreißen.“
    „Was?!“
    „Du hast dich nicht verhört. Man muss dem Küken ein Auge ausreißen.“
    „Aber dann kann das Küken doch nicht mehr richtig sehen. Wie soll es mit nur einem Auge geradeaus fliegen?“
    „Keine Sorge. Das Auge wächst nach. Das neue Auge verfügt über Fyngrott.“
    „Obwohl das Küken ein gewöhnliches Eulenkind ist?“
    „Eulen sind niemals ,gewöhnlich‘. Die besten Ergebnisse erzielt man übrigens mit Küken aus adligen Familien.“
    Ygryk hatte ihrem Gefährten von Krieths Rat erzählt. Von da an wünschten sich die beiden noch viel sehnlicher ein Kind. Als dann bekannt wurde, dass Siv ein Ei gelegt hatte, wurde dieser Wunsch zur Besessenheit. Sicherlich würde ein außergewöhnliches Geschöpf entstehen, wenn es ihnen gelänge, Sivs Küken mittels Magie zu verwandeln. Ein Geschöpf, wie die Welt noch keines gesehen hatte!
    Ein Halb-Hägs schloss zu Ygryk auf und meldete, dass eine Dune von Siv gesichtet worden war. Die Dune trieb in einem Luftstrom, der auf den Eisdolch-Felsen zuführte. Ein Felsen im offenen Meer! , dachte Ygryk erschrocken. Doch ihre Furcht vor Salzwasser konnte sie nicht aufhalten. Nichts konnte sie mehr aufhalten! Die Sehnsucht, die in ihr brannte, würde ihr Gefieder trocknen, wenn es nass werden sollte. Bald werde ich Mutter!
    Sivs verstümmelter Flügel hatte dringend eine Pause gebraucht. Darum war sie auf dem Eisdolch-Felsen gelandet und hatte sich ausgeruht. Nun schwang sie sich wieder in die Lüfte. Wenn der Wind weiter abflaute, konnte sie das Bittermeer bei Mondaufgang erreichen. Allerdings war es unwahrscheinlich, dass sich der Mond in dieser Nacht zeigen würde. Er war hinter einer Wolkenwand verborgen. Siv konnte das nur recht sein. Sie trug zwar noch ihre Stromerkostümierung, achtete aber trotzdem darauf, möglichst im Schutz der Wolken zu fliegen.
    Sie versuchte sich vorzustellen, wie ihr Sohn wohl aussah. Ob seine Augen goldene Sprenkel hatten wie die seines Vaters? Ob er ihre eigene Begabung fürs Dichten geerbt hatte? Sie würde sich ihm erst einmal nicht zu

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