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Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Titel: Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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beobachtete, wie der Fisch beim Schwimmen die Flossen bewegte. Eigentlich war Schwimmen ganz ähnlich wie Fliegen, fand er. Die Strömungen im Wasser waren im Grunde nicht anders als die Strömungen in der Luft. Wenn der Fisch wendete, drehte er die Schwanzflosse. Genau so lenkte Hoole beim Fliegen mit seinen Steuerfedern. Hoole beschloss, den Fisch zu verfolgen. Er schlug mit den Flügeln und schoss vorwärts. In diesem Augenblick fühlte er sich beinahe selbst wie ein Fisch. Allerdings hatte ein Fisch keine Füße. Die streckte Hoole jetzt aus und grub dem Fisch die Krallen in den Rücken. Mit angelegten Flügeln schnellte er aus dem Wasser, die silbrige Beute in den Zehen. Berwick flog von seinem Baum herunter. Hoole legte den Fisch vor ihm auf die Erde.
    „Bravo! Als hättest du nie etwas anderes getan.“
    Hoole blickte Berwick fragend an.
    „Nur zu! Unsereiner jagt schließlich nicht zum Vergnügen. Was wir fangen, wird auch gefressen.“
    Hoole zögerte immer noch.
    „Komm schon, erlöse ihn von seinem Elend. Wenn du ihn nämlich lebendig runterschluckst, ist dir hinterher elend. Die peitschende Schwanzflosse schürft einem die Magenwände auf.“
    Hoole tötete den Fisch mit einem einzigen Schnabelhieb. Dann betrachtete er ihn. „Hübsch, nicht wahr?“, sagte Berwick.
    Der eben noch silbrige Fisch schillerte jetzt in leuchtenden Farben: Blau, Rosa, Gold, Violett und Grün. Seltsam, dass der Tod so schön aussehen kann , dachte Hoole. Er beugte sich vor und verschlang den Fisch mit einem Happs.
    Seine Fragen kamen ihm wieder in den Sinn. Sie kreisten aber nicht um den Tod, sondern um das Leben.
    „Du, Berwick …“
    Der Raufußkauz wandte den Kopf. Er sah seinem Schüler an, dass ihm eine dringende Frage auf der Zunge lag.
    „Wie kommt es, dass ich lebe?“
    Berwick war verdutzt. Nicht nur über die Frage an sich, sondern auch darüber, wie Hoole sie in Worte fasste.
    „Du bist aus einem Ei geschlüpft.“
    „Und wo ist das Ei hergekommen? Hat Onkel Gränk es gelegt?“
    „Nein. Um ein Ei hervorzubringen, … äh … müssen sich zwei Eulen zusammentun. Außerdem ist dein Onkel ein Männchen. Eulenmännchen legen keine Eier. Das können nur Weibchen. Wenn ein Männchen und ein Weibchen zusammenkommen, entsteht ein Ei.“
    „Aber was ist das – ein Männchen? Und was ist ein Weibchen?“ Hoole hatte die beiden Wörter noch nie gehört.
    „Also … du zum Beispiel bist ein Männchen.“
    „Und du?“
    „Ich auch. Dein Onkel und Theo sind ebenfalls Männchen.“
    „Habe ich schon mal ein Weibchen gesehen?“
    „Nicht, dass ich wüsste.“
    „Aber ich weiß es. Ich hab schon mal eins gesehen!“
    „Wo denn?“
    „Kann ich nicht erklären.“ Hoole dachte an das Bild im Feuer. „Ich hab sie aber gesehen und ich glaube, sie ist ganz in der Nähe.“
    Sie? Woher weiß der Kleine, dass ein Weibchen eine ,Sie ‘ ist? Dann rutschte Berwick eine Bemerkung heraus, die er sofort bereute. „Soviel ich weiß, ist deine Mutter tot, und du bist eine Waise.“
    „Tot?“, wiederholte Hoole entrüstet. „Der Fisch eben war tot. Aber meine Mutter doch nicht! Sie ist nur gerade nicht hier. ICH HABE EINE MUTTER !“
    Großer Glaux, was habe ich da angerichtet? , dachte Berwick erschrocken. Hoole zitterte am ganzen Leib. Er machte ein paar taumelnde Schritte, dann richtete er sich zu voller Größe auf und verkündete mit schwankender Stimme: „Ich habe eine Mutter. Und ich habe sie sehr lieb.“ Er machte eine Pause. „Onkel Gränk habe ich auch lieb und Theo auch, aber meine Mutter habe ich am allerliebsten. Das darfst du aber Onkel Gränk und Theo nicht weitersagen.“
    „Keine Sorge. Weißt du was?“ Der Glaux-Bruder blickte den jungen Fleckenkauz eindringlich an. „In deinem Herzen ist genug Platz für alle, die du lieb hast.“
    Hoole erzählte Gränk und Theo nichts von dieser Unterhaltung. Auch Berwick schwieg darüber, aber er machte sich so seine Gedanken. Er hatte sich schon oft gefragt, was wohl aus Hooles Eltern geworden war. Insgeheim vermutete er, dass der junge Eulerich vornehmer Herkunft war. Das sah man an Hooles selbstbewusstem Auftreten, seinem eleganten Flug, seinem stolzen Blick.
    Nach ihrem Gespräch begann der junge Kauz sich zu verändern. Hoole war jetzt viel ernster und nachdenklicher. Das fiel auch Gränk und Theo auf, doch sie sprachen Hoole nicht darauf an.
    Gränk wollte den Spätsommer abwarten und in die Hinterlande aufbrechen, bevor das Wetter umschlug. Bis dahin

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