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Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Die Legende der Wächter 8: Die Flucht

Titel: Die Legende der Wächter 8: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Orgaß
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Wächter von Ga’Hoole, war er vor Stolz schier geplatzt.
    Er schraubte sich abwärts und tauchte in die dahinjagenden Wolken ein. Leider hatte er eines nicht bedacht: Wolken enthielten Regen. Er plusterte sich im Fliegen auf, um die Tröpfchen abzuschütteln. Auf diese Weise wurde er nicht völlig durchnässt.
    Bald darauf spürte er, dass sich die Landschaft unter ihm veränderte. Die Geräusche waren gedämpfter. Er flog jetzt über die mächtigen Bäume und grasbewachsenen Lichtungen des Silberschleier-Waldes. Als er sich dem Schattenwald näherte, wurde es unter ihm noch stiller. Hier bedeckten dicht stehende immergrüne Nadelbäume die steilen Hänge. Vom Wind bewegte Nadeln hörten sich ganz anders an als raschelndes Laub oder kahles Geäst. Coryn legte den Kopf schief, aber diesmal verfolgte er keine Jagdbeute. Er lauschte, ob unter ihm Räuber flogen – Nesträuber wie jene, die das Ei der Höhlenkäuze gestohlen hatten.
    Er hörte tatsächlich etwas, nämlich mehrere leise Stimmen. Was sie sagten, war nicht zu verstehen. Aber die Unterhaltung wurde von einer Art dumpfem Plätschern untermalt. Coryn hatte eine Zeit lang an einem See gewohnt. Wenn der Wind das Wasser kräuselte und kleine Wellen ans Ufer schwappten, hörte sich das ganz anders an. Kam das seltsame Geräusch vielleicht von einem Fluss? Nein, auch nicht. Von einem Meer? Ich weiß nicht, wie sich das Meer anhört. Ich war noch nie am Hoolemeer. Das Meer war eine große Fläche, aber dafür tönte der Hall nicht stark genug. Das Plätschern ging von einer sehr kleinen Fläche aus. Von einem … Ei? Die plötzliche Eingebung ließ seinen Magen erschauern. Und dann hörte er noch etwas – Herztöne!
    Coryn ließ sich tiefer sinken und suchte wachsam Himmel und Wald ab. Die Herztöne stammten nicht nur von einem einzelnen Ei, sondern von mehreren. Sie waren vielleicht eine halbe Flugstunde entfernt. Coryn wurde klar, dass er nur ein Ei auf einmal retten konnte. Woran sollte er erkennen, welches Ei der Höhlenkauzfamilie gehörte? Er hatte noch nie ein Eulenei, ganz gleich welcher Art, gesehen.
    Eins nach dem anderen! , ermahnte er sich. Erst einmal musste er näher heranfliegen. Er hatte keine der Stimmen wiedererkannt. Das machte ihm Mut, denn es bedeutete, dass weder seine Mutter noch ihr Stellvertreter Stürmer das Eierlager bewachten. Die Stimmen klangen jung. Die Wachen konnten kaum älter sein als Coryn selbst. Wahrscheinlich handelte es sich um die Rekruten, von denen Blitz und Donner gehört hatten. Dann waren sie ihm noch nie begegnet. Leider war er Nyra wie aus dem Gesicht geschnitten und dazu kam die verräterische Narbe. Und von seinem Verschwinden hatten sie ganz sicher gehört.
    Coryn hatte einen Geistesblitz. Er landete auf dem nächstbesten Baum, einer von grauen Flechten überwucherten, uralten Eiche. Vielleicht konnte er sich die Ähnlichkeit mit seiner Mutter ja ausnahmsweise zunutze machen!
    Sein Blick fiel auf eine lange Flechtensträhne, die von dem Ast zu seiner Rechten hing. Er musste an die Hägsdämonen denken, die ihn auf seiner Flucht bedrängt hatten. Hägsdämonen waren böse Geister. Sie kamen aus Hägsmir, der Eulenhölle, und waren in graue Nebelfetzen gehüllt. Coryns Mutter hatte ihm viele Schauergeschichten über Hägsdämonen erzählt.
    Die Flechten wehten im Wind. Coryn packte eine davon mit dem Schnabel, knipste sie ab und legte sie sich um die Schultern. Die Flechte reichte ihm bis über die Flügelspitzen. Er zog sich das eine Ende über den Kopf, ließ das Gesicht aber absichtlich frei. Die Narbe sollte zu sehen sein. Dann schwang er sich wieder in die Lüfte.
    Waschbären, Erdhörnchen, Mäuse, Ratten und Luchse hielten in der nächtlichen Futtersuche inne und schauten der Gestalt nach, die über ihnen flog. Ein Eichhörnchen, das gerade das Schnäuzchen aus seiner Baumhöhle streckte, wagte sich nicht auf seine übliche Nusssammelrunde. Ein erschrockenes Stinktier versprühte seine beißende Abwehrflüssigkeit, aber Coryn flog zu hoch. Totenstille senkte sich über den Wald. Ein Hägsdämon war unterwegs!

„Warum ist es auf einmal so still?“, wandte sich der junge Schleiereulerich an seinen Kameraden.
    „Keine Ahnung, aber ich find’s auch komisch.“
    „Also ich find’s richtig grulig.“ Grulig hieß in der Eulensprache „unheimlich“.
    „Reißt euch gefälligst zusammen, ihr beiden! Stürmer und Wortmore verlassen sich auf uns. Sie sind bald wieder da. Ihr könnt euch noch genug grulen,

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