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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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dann setzte ich mich mit dem Rücken an die sonnenwarme Mauer. Frösche quakten. Ich richtete den Blick auf die spiegelglatte Wasserfläche, um das Schwindelgefühl zu lindern.
    Schritte. Dann erkundigte sich eine weibliche Stimme in mißbilligendem Ton: »Bist du betrunken?«
    »Nicht ganz«, erwiderte ich scherzhaft, weil ich glaubte, es wäre Tilly, die kleine Gärtnerin. »Zuwenig Zeit, zuwenig Geld.«
    »Ich nehme an, das hast du von Burrich gelernt. Der Mann ist ein Trinker und ein Lüstling. Immer muß er alle anderen auf seine Stufe hinunterziehen.«
    Die Bitterkeit in der Stimme der Frau veranlaßte mich, aufzublicken. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich in der Dämmerung ihre Züge zu erkennen. Es war meine Tischgenossin vom Abend zuvor. Wie sie auf dem Gartenweg stand, in einem schmucklosen, hemdähnlichen Gewand, sah sie auf den ersten Blick aus wie ein junges Mädchen. Sie war schlank und kleiner als ich, obwohl man mich trotz meiner vierzehn Jahre nicht groß nennen konnte. Doch ihr Gesicht war das einer Frau und jetzt, als sie mich ansah, hatte sie die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepreßt, und die hellgrauen Augen unter den gerunzelten Brauen blickten streng. Aus dem dunklen, lockigen Haar hatten sich an Stirn und Nacken duftige Kringel selbständig gemacht.
    Nicht, daß ich mich berufen gefühlt hätte, Burrich zu verteidigen, nur war es ungerecht, ihm die Verantwortung für meinen Zustand anzulasten. Deshalb erklärte ich, da er sich zur Zeit etliche Meilen entfernt an einem anderen Ort aufhielte, könne man ihm kaum die Schuld geben, wenn ich ein Glas über den Durst trank.
    Die Frau kam zwei Schritte näher. »Doch er hat auch nie versucht, dich davon abzuhalten, oder? Er hat dich nie vor den Gefahren der Trunkenheit gewarnt, ist es nicht so?«
    In den Südlanden behauptet man, im Wein ist Wahrheit. Das gleiche muß für Bier zutreffen, denn ich sagte: »Um ehrlich zu sein, Mylady, er wäre höchst unzufrieden mit mir, wenn er mich jetzt sehen könnte. Erstens würde er mich tadeln, weil ich es in Gegenwart einer Dame versäumt habe, aufzustehen.« Bei diesen Worten erhob ich mich schwankend. »Zweitens würde er mir einen langen Vortrag halten, welches Benehmen jemandem geziemt, in dessen Adern das Blut eines Prinzen fließt, wenn er auch keinen Titel vorzuweisen hat.« Ich brachte eine Verbeugung zustande, und davon ermutigt richtete ich mich schwungvoll wieder auf. »Also, seid gegrüßt, edle Herrin dieses Gartens. Ich wünsche Euch eine gute Nacht und befreie Euch von meiner Gegenwart.«
    Ich war schon bei dem bogenförmigen Durchgang in der Hecke, als sie mir nachrief: »Warte!« Doch mein Magen gab ein unheilvolles Grollen von sich, und ich tat so, als hätte ich nichts gehört. Ich fühlte ihren Blick im Rücken. Deshalb hielt ich den Kopf hoch und schritt gleichmäßig aus, bis ich den Küchenhof hinter mir gelassen hatte. Im Stall übergab ich mich auf den Misthaufen und legte mich in einer leeren Box zum Schlafen hin, weil mir die Stiege zu Burrichs Kammer entschieden zu steil aussah.
    Aber die Jugend ist überraschend widerstandsfähig, besonders, wenn es darauf ankommt. Im Morgengrauen war ich wach und auf den Beinen, weil Burrich am Nachmittag zurückerwartet wurde. Nachdem ich mich an der Pumpe gewaschen hatte, stellte ich fest, daß es angebracht wäre, ein frisches Hemd anzuziehen. Mein verlottertes Aussehen kam mir doppelt peinlich zu Bewußtsein, als ich in dem Flur vor meinem Zimmer die Fremde wiedertraf. Sie musterte mich von oben bis unten, und bevor ich den Mund aufmachen konnte, sprach sie mich an.
    »Wechsle dein Hemd«, ordnete sie an und fügte hinzu: »In diesen Hosen siehst du aus wie ein Storch. Sag Mistress Hurtig, daß du neue brauchst.«
    »Guten Morgen, Mylady«, stotterte ich. Verblüfft wie ich war, fiel mir nichts anderes ein. Diese Frau brachte mich völlig durcheinander, sie war schlimmer als Lady Quendel. Am besten gab man ihr keine Widerworte. Ich rechnete damit, daß sie sich abwendete und weiterging, aber sie hielt mich mit einem Blick an Ort und Stelle fest.
    »Spielst du ein Instrument?« wollte sie wissen.
    Ich schüttelte stumm den Kopf.
    »Aber du kannst singen?«
    »Nein, Mylady.«
    Zwischen ihren Brauen erschien eine Falte. »Dann hat man dich wenigstens die Epen gelehrt, die Wissensverse, von den Kräutern, der Heilkunst, der Navigation ... diese Dinge?«
    »Nur soweit sie die Pflege von Pferden, Falken und Hunden betreffen«,

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