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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stalljungen und Kriegsmännern und wußte, daß die regulären Mahlzeiten oft nicht lange genug vorhielten. Neuerdings hatte ich ständig Hunger, und Mistress Hurtig klagte schon, wenn ich nicht aufhörte, so schnell in die Höhe zu schießen, müßte ich mich in Baumrinde hüllen wie ein Wilder Mann, denn sie wüßte nicht mehr, wie sie mit dem Auslassen der Säume nachkommen sollte. In Gedanken schon bei den kleinen Weißbrötchen, die die Köchin in einem zugedeckten Tontopf aufzubewahren pflegte, und einem bestimmten, extra scharfen Käse und wie gut dazu ein kühles Bier munden würde, öffnete ich die Tür zur Küche.
    Am Tisch saß eine Frau. Sie hatte sich einen Imbiß aus Apfelschnitten und Käse hergerichtet, doch bei meinem Eintritt sprang sie auf und griff sich mit der Hand ans Herz, als wäre ich der Narbenmann persönlich. Ich blieb stehen. »Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu erschrecken, Mylady. Ich hatte nur Hunger und wollte einen Bissen essen. Stört es Euch, wenn ich bleibe?«
    Die Frau sank langsam wieder auf die Bank zurück. Insgeheim wunderte ich mich, was jemand ihres Standes mitten in der Nacht allein in der Küche suchte. Denn weder das schlichte Gewand noch die Müdigkeit in ihrem Gesicht vermochten darüber hinwegzutäuschen, daß sie von hoher Geburt war. Unzweifelhaft handelte es sich bei ihr um die Reiterin des Zelters im Stall und nicht um die Zofe irgendeiner Edelfrau. Wenn sie nachts hungrig aufgewacht war, weshalb hatte sie nicht eine Dienerin geschickt, um ihr etwas zu holen?
    Ihre Hand wanderte vom Herzen zur Kehle, wie um ihren fliegenden Puls zu beruhigen. Als sie sprach, verriet auch die wohlklingende, melodische Stimme ihre vornehme Herkunft. »Meine Gegenwart soll dich nicht davon abhalten, deinen Hunger zu stillen. Ich bin nur etwas erschrocken. Du ... bist so plötzlich hereingekommen.«
    »Ihr seid sehr gütig, Mylady.«
    Ich machte meine Runde durch die Küche, vom Bierfaß zum Käseregal zum Brottopf, doch wohin ich mich wandte, folgte mir ihr Blick. Sie aß nicht weiter, als hätte sie plötzlich keinen Appetit mehr. Als ich mich umdrehte, nachdem ich meinen Krug mit Ale gefüllt hatte, fand ich ihre großen Lippen auf mich gerichtet. Sofort schaute sie zur Seite. Ihre Augen bewegten sich, aber sie blieb stumm.
    »Kann ich Euch irgendwie behilflich sein?« erkundigte ich mich höflich. »Etwas holen? Ale vielleicht?«
    »Wenn du so freundlich sein möchtest.« Sie sagte es leise. Ich brachte ihr den Krug, den ich soeben gefüllt hatte, und stellte ihn vor ihr auf den Tisch. Sie neigte sich bei meinem Näherkommen nach hinten, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Ich fragte mich, ob mir von der Arbeit vielleicht noch Stallgeruch anhaftete, aber nein. Molly hätte mich darauf aufmerksam gemacht. Sie kannte in dieser Beziehung keine Scheu.
    Ich zapfte mir am Faß einen zweiten Krug und faßte den Entschluß, mit der späten Mahlzeit in mein Zimmer hinaufzugehen. Das ganze Verhalten der Fremden verriet, welches Unbehagen meine Anwesenheit ihr bereitete. Doch kaum machte ich mich mit Brot, Käse und vollem Krug auf den Weg zur Tür, da zeigte sie auf die Bank ihr gegenüber. »Setz dich«, forderte sie mich auf, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Es ist nicht recht, daß ich dich verscheuche.«
    Ihr Tonfall war weder befehlend noch einladend, sondern ein Mittelding zwischen beidem. Wohl oder übel gehorchte ich, und natürlich mußte beim Abstellen des Krugs das Bier überschwappen. Wieder fühlte ich ihren Blick auf mir ruhen. Ich neigte den Kopf, um diesem Blick auszuweichen, und begann hastig zu essen, so verstohlen wie eine Maus in der Speisekammer, die sich von der Katze belauert fühlt. Es war kein unhöfliches Starren, mit dem sie mich musterte, aber meine Bewegungen wurden hölzern, und siedendheiß kam mir zu Bewußtsein, daß ich mir gedankenlos mit dem Jackenärmel den Mund abgewischt hatte.
    Ich zerbrach mir den Kopf nach einem Gesprächsthema, um das lastende Schweigen zu unterbrechen, das an meinen Nerven zerrte. Das Brot schmeckte trocken und krümelig, und als ich einen Schluck Bier nahm, um es hinunterzuspülen, verschluckte ich mich und mußte husten. Ihre Augenbrauen zuckten, sie preßte die Lippen zusammen. Obwohl ich den Blick auf den Teller gesenkt hielt, konnte ich spüren, wie sie mich ansah. Ich schlang das Essen hinunter, um möglichst schnell diesen hellgrauen Augen und dem ernsten, schweigsamen Mund zu entfliehen. Noch kauend,

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