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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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antwortete ich, beinahe wahrheitsgemäß. Das war Burrichs Litanei gewesen. Chade hatte mir einiges über Gifte und Gegengifte beigebracht, mich aber gewarnt, diese Verse seien kein Allgemeingut und dürften nicht unbesonnen rezitiert werden.
    »Immerhin wirst du tanzen können. Und du verstehst dich auf die Dichtkunst?«
    Ich wurde immer ratloser. »Mylady, ich glaube, Ihr verwechselt mich mit jemand anderem. Vielleicht mit August, dem Neffen des Königs. Er ist nur ein oder zwei Jahre jünger als ich und ...«
    »Ich habe dich nicht verwechselt. Beantworte meine Frage.« Ihre Stimme hatte einen schrillen Unterton.
    »Nein, Mylady. Die Dinge, von denen Ihr sprecht, sind für jene von ... hoher Geburt. Ich bin darin nicht unterwiesen worden.«
    Bei jeder meiner Verneinungen hatte ihre Stirn sich mehr bewölkt. Ihre Nasenflügel bebten, die Augen funkelten kampflustig. »Das ist unerträglich«, verkündete sie, wirbelte mit fliegenden Röcken herum und eilte den Flur hinunter. Sobald sie auf der Treppe verschwunden war, ging ich in mein Zimmer, wechselte das Hemd und zog die längste Hose an, die ich besaß. Anschließend verbannte ich die wunderliche Person aus meinen Gedanken und stürzte mich in die Arbeit.
    Es regnete, als Burrich am Nachmittag eintraf. Ich ging ihm nach draußen entgegen und hielt seinem Pferd den Kopf, während er sich steif aus dem Sattel schwang. »Du bist gewachsen Fitz«, bemerkte er und begutachtete mich kritisch, als wäre ich eins seiner Tiere, das sich wider Erwarten ansehnlich herausgemacht hatte. Er öffnete den Mund, als wollte er noch etwas hinzufügen, dann schüttelte er den Kopf und schnaufte. »Nun?« fragte er, und ich begann mit meinem Bericht.
    Er war kaum einen Monat weg gewesen, aber Burrich legte Wert darauf, alles bis in die kleinste Einzelheit zu erfahren. Wir brachten die Stute zu ihrer Box, und ich fing an abzusatteln. Derweil hörte er sich aufmerksam an, was ich zu sagen hatte.
    Manchmal überraschte es mich, wie ähnlich in mancher Hinsicht er und Chade sich waren. Beide erwarteten von mir, daß ich die Vorfälle der letzten Wochen oder des letzten Monats in der genauen Reihenfolge schilderte. Chades Ansprüchen zu genügen war mir nicht schwergefallen. Burrich hatte mit seinem Drill gründliche Vorarbeit geleistet. Jahre später merkte ich, daß diese Art der Berichterstattung in etwa dem Rapport eines Soldaten gegenüber seinem Vorgesetzten entsprach.
    Ein anderer Mann wäre anschließend erst einmal in die Küche oder zum Badehaus gegangen, doch Burrich bestand darauf, sein Reich zu inspizieren, schwatzte hier mit einem der Knechte und sprach dort ein paar Worte zu einem Pferd. Bei dem Zelter der fremden Dame blieb er stehen. Schweigend betrachtete er das Pferd einige Minuten lang.
    »Ich habe dieses Tier ausgebildet«, sagte er plötzlich, und beim Klang seiner Stimme drehte der Wallach sich in seiner Box herum und wieherte leise. »Seidenlocke«, meinte Burrich versonnen und streichelte die weiche Nase. Dann seufzte er. »Also ist Prinzessin Philia am Hof. Habt ihr euch schon kennengelernt?«
    Das war eine schwierige Frage. Tausend Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf. Prinzessin Philia, die Gemahlin meines Vaters und nach vorherrschender Meinung in erster Linie verantwortlich dafür, daß mein Vater dem Hof den Rücken gekehrt hatte. Mit ihr hatte ich in der Küche gesessen und ihr im Garten in meinem trunkenen Übermut dreiste Antworten gegeben. Und heute morgen hatte sie mich über meine Erziehung ausgefragt. Ich räusperte mich. »Nicht offiziell. Aber wir sind uns begegnet.«
    Zu meiner Überraschung lachte er. »Dein Gesicht ist das reinste Bilderbuch, Fitz. Allein daran kann ich ablesen, daß sie sich keinen Deut verändert hat. Im Obsthain ihres Vaters habe ich sie zum ersten Mal gesehen. Sie bat mich, ihr einen Splitter aus dem Fuß zu ziehen, und streifte ungeniert Schuhe und Strümpfe ab, einfach so, vor meinen Augen. Dabei hatte sie keine Ahnung, wer ich war. Und umgekehrt. Ich hielt sie für eine Kammerzofe. Das ist natürlich Jahre her, mein Prinz wußte noch nichts von ihr. Ich glaube, ich war nicht viel älter als du jetzt.« Er verstummte, und seine Züge wurden weich. »Sie hatte einen albernen kleinen Hund, den sie immer in einem Korb mit sich herumtrug. Er schnaufte beim Atmen, und dauernd würgte er Klumpen von seinem eigenen Fell aus. Sein Name war Flederwisch.« Burrich schüttelte den Kopf und lächelte beinahe liebevoll. »Sich

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