Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
...«
    »Ja?« Chade hakte nach, als wäre er höchst gespannt auf das, was ich sagen wollte.
    »Ich mag ihn«, schloß ich lahm. »Er gibt mir das Gefühl, wichtig zu sein. Weil er sich mich als Gesprächspartner ausgesucht hat.«
    Chade lehnte sich zurück. Er verbarg ein Lächeln hinter der vorgehaltenen Hand, aber ich verstand nicht, was ihn belustigte. »Vertrau auf deinen Instinkt«, meinte er. »Und befolge die Ratschläge des Narren. Noch etwas, behalte auch künftig für dich, daß er kommt und mit dir spricht. Man könnte es mißverstehen.«
    »Wer könnte es mißverstehen?«
    »König Listenreich, zum Beispiel. Schließlich gehört der Narr ihm. Gekauft und bezahlt.«
    Ein Dutzend Fragen kam mir in den Sinn. Chade wußte den Ausdruck auf meinem Gesicht zu deuten, denn er hob die Hand. »Nicht jetzt. Das ist alles, was du vorläufig wissen mußt. Genaugenommen ist es mehr, als du wissen mußt, aber deine Eröffnung hat mich überrascht. Es ist nicht meine Art, Geheimnisse anderer auszuplaudern. Wenn der Narr möchte, daß du mehr weißt, kann er für sich selber sprechen. Kehren wir zurück zu Galen.«
    Ich lehnte mich seufzend gegen den Stuhlrücken. »Galen. Er ist unhöflich zu denen, die unter ihm stehen, kleidet sich gut und zieht es vor, allein zu speisen. Reicht das nicht? Ich hatte strenge Lehrmeister und unangenehme. Ich denke, ich werde lernen, mit ihm auszukommen.«
    »Das sollst du.« Chade sagte es mit tödlichem Ernst. »Weil er dich haßt. Er haßt dich mehr, als er deinen Vater liebte. Die Tiefe seines Gefühls für deinen Vater hat mich von jeher beunruhigt. Kein Mensch, auch kein Prinz, verdient eine derartige blinde Ergebenheit, besonders nicht so plötzlich. Und dich haßt er mit noch größerer Leidenschaft. Es macht mir angst.«
    Etwas in Chades Tonfall verursachte mir ein flaues Gefühl im Magen. »Woher weißt du das?«
    »Weil er es Listenreich sagte, als dieser ihm befahl, dich als Schüler anzunehmen. ›Sollte der Bastard nicht seinen Platz kennen? Sollte er nicht damit zufrieden sein, was Eure Gnade ihm zumißt?‹ Dann weigerte er sich, dich zu unterrichten.«
    »Er weigerte sich?«
    »Wie ich dir gesagt habe. Aber Listenreich war unerbittlich. Und weil er König ist, mußte Galen ihm gehorchen, auch wenn er ein Gefolgsmann der Königin war. Also gab er nach und sagte, er werde sein Bestes tun. Du wirst jeden Tag bei ihm Unterricht haben, in einem Monat von heute an. Bis dahin gehörst du Philia.«
    »Und wo findet der Unterricht statt?«
    »Du und die anderen, ihr werdet euch auf der Dachterrasse eines Turms einfinden. Der Königin Sommerfrische nennt man den Ort.« Chade zögerte, als hätte er den Wunsch, mich zu warnen, wollte mir aber keine Furcht einjagen. »Sei vorsichtig«, meinte er schließlich, »denn innerhalb der Mauern dieses Gartens habe ich keinen Einfluß. Dort bin ich blind.«
    Es war eine befremdliche Warnung, die ich mir zu Herzen nahm.

Kapitel 13
Fäustel
     
    Schon in früher Jugend erwarb Prinzessin Philia sich den Ruf außerordentlicher Exzentrik. Als kleines Kind legte sie eine starrsinnige Unabhängigkeit an den Tag, ohne daß sie imstande gewesen wäre, für sich selbst zu sorgen. Eins ihrer Kindermädchen erzählte: »Sie lief den ganzen Tag mit offenen Schuhbändern herum, weil sie sie nicht zubinden konnte, aber sie duldete auch nicht, daß man ihr half.« Noch bevor sie das Alter von zehn Jahren erreichte, hatte sie beschlossen, auf die einer jungen Dame ihres Standes geziemende Erziehung zu verzichten, und wandte ihr Interesse statt dessen Betätigungen von äußerst fraglichem Nutzen zu: der Töpferei, der Kunst des Tätowierens, der Parfümherstellung und dem Kultivieren von Pflanzen, besonders exotischen. Sie hatte keine Skrupel, sich für lange Stunden der Aufsicht zu entziehen, die Wälder und Haine erschienen ihr verlockender als die Gärten und Boskette ihrer Mutter. Man hätte denken sollen, die kleine Prinzessin wäre ein rechter Wildfang gewesen, gewandt und kerngesund. Weit gefehlt. Ständig war sie geplagt von Ausschlägen, Schürfwunden und Insektenstichen, verirrte sich häufig und entwickelte nie eine vernünftige Zurückhaltung gegenüber Mensch oder Tier.
    Sie brachte sich fast alles selber bei. Schon sehr früh lernte sie lesen und schreiben und verschlang mit kritikloser Wißbegier alles, was ihr an Schriften in die Hände fiel. Lehrer stöhnten über ihre Launen und daß sie häufig gar nicht erst zum Unterricht erschien,

Weitere Kostenlose Bücher