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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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allerdings machte sie diese Unarten durch ihre rasche Auffassungsgabe wett. Nur die Anwendung des erworbenen Wissens interessierte sie nicht im geringsten. Ihr Kopf war voll von Phantasien und Hirngespinsten, sie gab Poesie und Musik den Vorzug vor Logik und Konversation. Höfische Etikette und kokettes Schöntun langweilten sie.
    Dennoch heiratete sie einen Prinzen, der um ihretwillen den Zorn seines Vaters auf sich nahm und daß zum ersten Mal der Schatten eines Skandals seinen Namen verdunkelte.
     
    »Halte dich gerade!«
    Ich richtete mich auf.
    »Nicht so! Du siehst aus wie ein Truthahn, der mit langgezogenem Hals der Axt harrt. Weniger steif. Aber nimm die Schultern zurück, keinen Buckel machen. Stehst du immer so da, mit nach außen gedrehten Füßen?«
    »Mylady, er ist noch ein Junge. Sie sind alle so in dem Alter, schlaksig und ungelenk. Laßt ihn hereinkommen und sich setzen.«
    »Nun, meinetwegen. Komm also herein.«
    Ich nickte der mondgesichtigen Dienerin zu, die meinen Gruß mit einem Lächeln erwiderte. Sie winkte mich zu einer geschnitzten Bank, auf der zwischen aufgetürmten Kissen und Schals kaum Platz zum Sitzen war. Ich ließ mich auf der vordersten Kante nieder und sah mich in Prinzessin Philias Gemach um.
    Es herrschte ein schlimmeres Chaos als in Chades Klause.
    Unglaublich, daß jemand in so kurzer Zeit ein derartiges Tohuwabohu anrichten konnte. Dabei war die Zusammenstellung der Objekte das eigentlich Bemerkenswerte. Ein Federfächer, ein Fechthandschuh und ein Bündel Rohrkolben steckten miteinander in einem abgewetzten Stiefel. Ein kleiner schwarzer Terrier mit zwei wohlgenährten Jungen schlief in einem Korb, weich gebettet auf eine Pelzkapuze und Wollsocken. Eine Familie geschnitzter Elfenbeinwalrosse tummelte sich auf einem Wälzer über das Beschlagen von Pferden. Aber beherrscht wurde der Raum von Pflanzen. Strotzendes Grün quoll aus Kruken, Teetassen, Pokalen, in Eimern drängten sich Schnittblumen und Zweige, Ranken schlängelten sich aus henkellosen Krügen und Kannen. Fehlschläge ragten als dürre Stengel aus mit Erde gefüllten Tontöpfen. Die Behälter standen dicht an dicht überall, wo sie einen Strahl der Morgen- und Abendsonne erhaschen konnten. Der Gesamteindruck war der eines Dschungels, der das Zimmer zu erobern drohte.
    »Hungrig ist er wahrscheinlich auch, nicht wahr, Lacey? Man sagt das von Knaben in seinem Alter. Ich glaube, auf meinem Nachttisch stehen noch Käse und Salzgebäck. Würdest du ihm das bringen, meine Liebe?«
    Prinzessin Philia sprach zu ihrer Zofe, während sie kaum eine Armeslänge von mir entfernt stand.
    »Ich habe keinen Hunger, wirklich nicht, vielen Dank«, wehrte ich ab, bevor Lacey sich von ihrem Stuhl erheben konnte. »Ich bin hier, weil man mir befohlen hat, mich bei Euch einzufinden, bis Ihr mich wieder entlaßt.«
    Das war eine gemilderte Formulierung. Was König Listenreich zu mir gesagt hatte, lautete etwas anders: »Melde dich jeden Morgen in ihren Gemächern und tu, was immer ihr in den Sinn kommt, damit sie mich in Ruhe läßt. Und bleib dabei, bis sie deiner so überdrüssig ist, wie ich ihrer überdrüssig bin.« Seine Unverblümtheit hatte mich erstaunt, aber vermutlich lag es an den Belastungen der letzten Zeit. Veritas kam zur Tür herein, als ich hinausschlüpfte, und auch er wirkte ausgebrannt. Beide Männer redeten und bewegten sich, als litten sie unter den Nachwehen von zu reichlich genossenem Wein, aber ich hatte sie beide am Abend zuvor bei Tisch gesehen, und es herrschte ein bemerkenswerter Mangel an Fröhlichkeit und Wein. Veritas strich mir im Vorbeigehen über den Kopf. »Von Tag zu Tag wird er seinem Vater ähnlicher«, bemerkte er zu einem mürrischen Edel, der ihm folgte. Der jüngste Prinz warf mir einen bösen Blick zu, bevor er in das Gemach des Königs trat und laut die Tür hinter sich schloß.
    Also saß ich hier, und die Prinzessin tänzelte um mich herum und sprach über meinen Kopf hinweg, als wäre ich ein Tier, das sie jeden Moment in den Finger beißen oder eine Pfütze auf dem Teppich hinterlassen konnte. Man konnte sehen, daß Lacey die Situation höchst vergnüglich fand.
    »Ja. Das wußte ich schon, verstehst du, weil ich es war, die den König ersucht hat, dich in meine Obhut zu geben«, setzte Prinzessin Philia mir fürsorglich auseinander.
    »Ja, Mylady.« Ich rutschte auf meinem knapp bemessenen Sitzplatz hin und her und bemühte mich, intelligent und wohlerzogen auszusehen. Eingedenk unserer

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