Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
das Schwindelgefühl zu ignorieren. Ich rutschte auf meinem Platz hin und her, und schließlich hielt ich mir die Hand vor Mund und Nase. Leider half es nicht viel.
Ich blickte auf, als die Tür zum inneren Gemach aufgeschoben wurde, doch es war nur Sevrens. Er sah Rowd an, dann setzte er sich neben mich. Als er beharrlich schwieg, fragte ich: »Wird Edel mich jetzt empfangen?«
Sevrens schüttelte den Kopf »Er hat noch einen – Besucher. Doch ich bringe dir in seinem Auftrage alles, was du brauchst.« Er öffnete seine Hand und zeigte mir ein kleines weißes Päckchen. »Das hat er für dich beschafft. Es sollte deine Zustimmung finden. Eine Prise davon, mit Wein gemischt, führt zum Tod, aber nicht sofort. Mehrere Wochen lang zeigen sich gar keine Symptome, und dann macht sich eine Lethargie bemerkbar, die langsam zunimmt. Der Mann wird nicht leiden«, betonte er, als wäre das meine größte Sorge.
Meine Gedanken überschlugen sich. »Ist es Kexgummi?« Ich hatte bisher nur von diesem Gift gelesen. Falls Edel eine Bezugsquelle hatte, würde Chade es wissen wollen.
»Ich kenne den Namen nicht, und er ist auch ohne Bedeutung. Prinz Edel sagt, du wirst heute nacht Verwendung dafür haben. Es muß sich eine Gelegenheit finden.«
»Was erwartet er von mir? Daß ich zu den Gemächern des Prinzen gehe, anklopfe und ihm als Schlummertrunk vergifteten Wem kredenze? Ist das nicht etwas sehr offensichtlich?«
»Auf diese plumpe Art und Weise allerdings. Aber während deiner Ausbildung hat man dir doch wohl etwas mehr Raffinesse beigebracht?«
»Vor allen Dingen habe ich während meiner Ausbildung gelernt, daß man solche Dinge nicht mit einem Lakaien bespricht. Ich bestehe darauf, meine Instruktionen von Prinz Edel selbst zu erhalten, oder ich weigere mich zu handeln.«
Sevrens seufzte. »Mein Herr hat das vorausgesehen. Dies laßt er dir durch mich ausrichten: Bei der Nadel, die du trägst, und dem Wappen auf deiner Brust befiehlt er dir, die Tat auszuführen. Weigere dich, und du verweigerst deinem König den Gehorsam. Das wäre Hochverrat, der dich an den Galgen bringt.«
»Aber ich ...«
»Nimm es und geh. Je länger du zauderst, desto später wird es, und um so befremdlicher wirkt dein Besuch bei dem Prinzen.«
Sevrens stand auf, seine Arbeit war getan. Rowd saß wie eine Kröte in der Ecke und beäugte mich unentwegt grinsend. Mir wurde nichts anderes übrig bleiben, als sie beizeiten beide stumm zu machen, wenn ich meine Nützlichkeit als Assassine bewahren wollte. Ob sie daran einmal gedacht hatten? Ich erwiderte Rowds Grinsen und spürte, wie mich der Rauch im Hals kratzte. Dann nahm ich mein Giftpäckchen und ging.
Am Fuß der Treppe angelangt, wich ich in den tiefen Schatten an der Außenwand zurück und kletterte so rasch wie möglich einen der Stützpfosten hinauf. Oben zwängte ich mich zwischen die Verstrebungen der Plattform und wartete. Und wartete. Benommen von dem wirbelnden Rauch in meinem Kopf, der Müdigkeit und den hartnäckigen Nachwirkungen von Kettrickens Kräutern, glaubte ich fast, dies alles nur zu träumen. Wahrscheinlich harrte ich ganz umsonst auf meinem unbequemen Horchposten aus. Als nichts geschah, fing ich an, darüber nachzudenken, daß Edel ausdrücklich Lady Quendel verlangt hatte. Aber Listenreich entschied sich für mich. Ich erinnerte mich an Chades Verwunderung deswegen, und seine Warnung fiel mir ein. Hatte mein König mich ans Messer geliefert?
Und wenn ja, schuldete ich ihm noch Treue? Endlich sah ich Rowd fortgehen und nach einer, wie mir schien, sehr langen Zeit mit Cob wieder zurückkommen.
Der Bretterboden verschluckte das meiste von dem, was gesprochen wurde, aber ich verstand genug. Edel verriet Cob, was ich heute abend tun sollte. Sobald ich davon überzeugt war, schlängelte ich mich aus meinem Versteck heraus, rutschte nach unten und kehrte in mein eigenes Zimmer zurück, wo ich von einigen speziellen Ausrüstungsgegenständen Gebrauch machte. Wie hatte ich zu Veritas gesagt – ich war des Königs Mann. Nun gut. Ich verließ mein Zimmer wieder und ging auf leisen Sohlen durch den Palast. In der Großen Halle schliefen die einfachen Leute auf Matten auf dem Boden in konzentrischen Kreisen um das Podium, damit ihnen am morgigen großen Tag niemand den Platz streitig machen konnte. Ich ging zwischen ihnen hindurch, und sie rührten sich nicht. Solch großes Vertrauen und so fehl am Platze.
Die Gemächer der königlichen Familie befanden sich im hintersten
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