Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
bewiesen ihr Können in ritualisierten Schaukämpfen. Blaue Rauchschwaden hingen über dem fröhlichen Treiben, viele der Feiernden gönnten sich den Genuß und schwangen kleine Räuchergefäße, während sie herumschlenderten und sich unterhielten. Man hatte mir erklärt, es wäre das Äquivalent zu unserem Carrissamen, ein Feiertagsvergnügen, aber ich mied nach Möglichkeit den Qualm der schwelenden Kräuter. Ich mußte einen klaren Kopf bewahren. Chade hatte mir ein Pulver gegen Trunkenheit mitgegeben, aber gegen Rauch hatte und kannte ich kein Mittel. Zudem war ich die Droge nicht gewöhnt. Ich fand eine Ecke, wo die Luft weniger blaugeschwängert war, und lauschte scheinbar fasziniert einem Minnesänger, doch über seine Schulter hinweg beobachtete ich Edel.
Er saß an einem Tisch, flankiert von zwei Räucherschalen aus Messing. Ein sehr stiller August hockte lustlos ein paar Stühle weiter neben ihm. Von Zeit zu Zeit redeten sie miteinander, August ernsthaft, der Prinz von oben herab. Ich war zu weit entfernt, um etwas verstehen zu können, aber ich las meinen Namen von Augusts Lippen ab. Kettricken trat zu Edel, ich bemerkte, daß sie den Qualmwolken aus den Räuchergefäßen auswich. Edel sprach lange auf sie ein, lächelnd und schleppend, und einmal tätschelte er ihre Hand mit den Silberringen aus Bocksburg. Er schien zu denen zu gehören, die der Rauch geschwätzig und großspurig macht. Sie zagte wie ein Vogel auf einem Zweig, beugte sich zu ihm und lächelte, zog sich wieder zurück und wurde förmlicher. Dann kam Rurisk, wechselte einige Worte mit Edel, nahm Kettrickens Arm und zog sie mit sich. Sevrens erschien, um die Räucherschalen nachzufüllen. Edel lächelte töricht und sagte etwas, begleitet von einer Handbewegung, die den gesamten Saal umfaßte. Sevrens lachte und ging. Gleich darauf kamen Cob und Rowd, um mit ihrem Herrn zu sprechen. Daraufhin stand August auf und stolzierte beleidigt davon. Verärgert schickte ihm Edel Cob hinterher. August setzte sich wieder auf seinen Platz, aber mit saurer Miene. Edel wies ihn zurecht, und August blickte finster, dann senkte er den Blick und gab klein bei. Ich wünschte mir verzweifelt, nahe genug zu sein, um verstehen zu können, was gesprochen wurde. Irgend etwas braute sich zusammen. Es mußte nichts mit mir und meinem Auftrag zu tun haben, aber ich war vom Gegenteil überzeugt.
Ich überdachte nochmals meinen mageren Vorrat an Fakten und hätte schwören können, daß es einen Hinweis gab, den ich einfach nicht erkannte. Andererseits bildete ich mir vielleicht nur etwas ein. Vielleicht sah ich alles in einem ganz falschen Licht. Vielleicht war die einfachste Lösung, einfach zu tun, was Edel wollte, und ihm die Verantwortung aufzubürden. Vielleicht sollte ich Zeit sparen und mir selbst die Gurgel durchschneiden.
Natürlich konnte ich mich auch entschließen, geradewegs zu Rurisk zu gehen, ihm zu sagen, daß trotz all meiner Bemühungen Edel ihn tot sehen wolle, und ihn um Asyl bitten. Doch wer würde mit offenen Armen einen ausgebildeten Meuchelmörder aufnehmen, der bereits einen Herrn verraten hatte?
Ich konnte Edel erzählen, ich würde Rurisk töten, und es dann einfach nicht tun. Keine üble Idee.
Ich konnte Edel erzählen, ich würde Rurisk ermorden, und statt dessen Edel um die Ecke bringen. Der Rauch, sagte ich mir, nur weil der Rauch mir das Gehirn vernebelte, fand ich diesen Einfall so verlockend.
Ich konnte zu Burrich gehen und ihm sagen, daß ich wahrhaftig ein Assassine sei, und ob er nicht einen Rat wüßte?
Ich konnte die Stute der Prinzessin nehmen und in die Berge flüchten.
»Nun, unterhältst du dich gut?« fragte Jonqui, als sie herankam und sich bei mir einhakte.
Ich merkte, daß ich auf einen Mann starrte, der mit Messern und brennenden Fackeln jonglierte. »Dieses Fest wird mir lange in Erinnerung bleiben«, antwortete ich und schlug dann einen Spaziergang durch die Gärten vor. Der Rauch trübte mein Urteilsvermögen.
Sehr spät am Abend meldete ich mich bei Edel. Diesmal ließ Rowd mich ein. Sein Grinsen und seine freundliche Begrüßung verursachten mir ein unbehagliches Gefühl in der Magengrube, aber in der Luft im Vorzimmer waberte blauer Rauch, und das schien die Ursache für Rowds Leutseligkeit zu sein. Edel ließ mich wieder einmal warten, und obwohl ich das Kinn an die Brust drückte und mich bemühte, flach zu atmen, spürte ich den Einfluß der Droge. Nimm dich zusammen, ermahnte ich mich und versuchte,
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