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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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jemandem getötet, den er sich in Weidenhag zum Feind gemacht hat. Vielleicht galt der Anschlag gar nicht ihm als Prinz. Oder vielleicht hat der König einen weiteren Assassinen in Lohn und Brot, von dem ich nichts weiß, und er war der Vater, der den Sohn ermorden ließ.«
    »Du glaubst doch selbst nichts von alledem«, sagte ich im Brustton der Überzeugung.
    »Nein. Allerdings nicht. Weil ich keine Beweise für irgendeine dieser Vermutungen habe. Ebensowenig, wie ich beweisen kann, daß dein Vater einer Intrige der Königin zum Opfer gefallen ist.«
    Das ist alles, was mir von unserem Gespräch damals im Gedächtnis geblieben ist. Doch ich bin sicher, Chade wollte erreichen, daß ich mir Gedanken darüber machte, wer schuld am Tod meines Vaters sein könnte, damit ich lernte, mich vor der Königin in acht zu nehmen. Tatsächlich merkte ich mir gut, was er gesagt hatte, und auf Dauer. Ich ging meinen Pflichten nach, mein Haar wuchs nach, und im Hochsommer schien das Leben wieder in gewohnten Bahnen zu verlaufen. Alle paar Wochen führten Botengänge mich in den Ort hinunter. Bald fiel mir auf, daß, auch wenn jemand anders mich schickte, ein oder zwei Posten auf der Liste in Chades Quartier abzuliefern waren. Deshalb konnte ich leicht erraten, wer hinter meinen kurzen Ausflügen in die Freiheit steckte. Nicht jedesmal ergab sich eine Gelegenheit, etwas Zeit mit Molly zu verbringen, aber mir genügte es schon, vor dem Ladenfenster zu stehen, bis sie mich bemerkte und grüßend nickte. Einmal hörte ich auf dem Markt jemanden die Qualität ihrer parfümierten Kerzen loben und sagen, daß seit dem Tod ihrer Mutter keine so angenehmen und wohltuenden Kräuterlichte mehr zu haben gewesen wären. Ich lächelte und freute mich für sie.
    Der Sommer brachte wärmeres Wetter an unseren Küsten und in dessen Gefolge die Outislander. Manche kamen als ehrbare Kaufleute, mit den Erzeugnissen der kalten Fluren – Pelze, Bernstein, Elfenbein, Krüge voller Öl – und spannenden Geschichten, bei denen mir immer noch ein Schauer über den Rücken lief. Unsere Seeleute mißtrauten ihnen und nannten sie Spione und Schlimmeres. Doch ihre Waren ließen nichts zu wünschen übrig, und das Gold, mit dem sie Wein und Korn bezahlten, war blank und schwer, und unsere Händler nahmen es gern.
    Ihre Landsleute, die unsere Küsten heimsuchten, allerdings niemals in unmittelbarer Nähe von Bocksburg, kamen mit Dolchen und Fackeln, mit Bögen und Rammböcken, um dieselben Dörfer zu überfallen und zu plündern, die sie seit Jahren überfielen und plünderten. Manchmal schien es ein ausgeklügelter, wenn auch blutiger Wettstreit zu sein – ihnen fiel die Aufgabe zu, nichtsahnende oder unzureichend gerüstete Dörfer auszukundschaften, während wir sie mit scheinbar leichten Zielen zu ködern versuchten, um unsererseits die Piraten zu erschlagen und auszurauben. Doch wenn es sich um einen Wettstreit handelte, waren wir in diesem Jahr die Verlierer. Bei jedem Besuch in der Stadt hörte ich neue Unglücksnachrichten und das Murren der Leute.
    Oben in der Burg bei den Soldaten herrschte ein allgemeines Gefühl der Hilflosigkeit, das ich teilte. Die Outislander hatten keine Mühe, unseren Kriegsschiffen auszuweichen, und tappten nie in unsere Fallen. Sie schlugen zu, wo wir am schwächsten waren und es am wenigsten erwarteten. Am härtesten traf es Veritas, dem nach der Abdankung Chivalrics die Rolle als Verteidiger des Reichs zugefallen war. In den Tavernen grollte man, es gäbe ein Fiasko nach dem anderen, seit er ohne den klugen Rat seines Bruders auskommen müsse. Bis jetzt wurde nicht offen gegen ihn gemeutert, doch es sprach auch niemand zu seinen Gunsten.
    Ich für meine Person betrachtete diese Raubzüge als etwas, das mich nichts anging. Sicher, sie waren schrecklich, und ich fühlte ein verschwommenes Mitleid für die Dörfler, denen der rote Hahn aufs Dach gesetzt wurde. Doch in der starken Festung geborgen, fiel es mir schwer, die dauernde Furcht und Wachsamkeit nachzuempfinden, in der die anderen Hafenstädte lebten, oder den ohnmächtigen Zorn der Ausgeplünderten, die jedes Jahr das Zerstörte neu aufbauten, nur um im nächsten wieder vor den rauchenden Trümmern zu stehen. Lange sollte mir meine naive Ahnungslosigkeit nicht erhalten bleiben.
    Eines Morgens ging ich wie immer zu Burrich zum ›Unterricht‹, obwohl ich ebensoviel Zeit damit verbrachte, Tiere zu verarzten und Fohlen an den Sattel zu gewöhnen wie mit Lernen. Ich

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