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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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unterrichtet, winkten mich durch das Tor und die Außenbefestigungen.
    In der Stadt verirrte ich mich zweimal. Bei Nacht sah alles fremd aus, zumal ich vorher nicht sehr auf den Weg geachtet hatte. Endlich fand ich das Gasthaus wieder. Die besorgte Wirtin hatte ein Licht ins Fenster gestellt und erwartete mich. »Seit fast einer Stunde jammert und ruft sie nach Euch, junger Herr«, empfing sie mich aufgeregt. »Ich fürchte, es ist ernst, aber sie will niemanden zu sich lassen als Euch.«
    Ich eilte den Flur entlang und klopfte zaghaft an die Tür, halb in der Erwartung, beschimpft und zum Teufel geschickt zu werden. Doch nein, eine bebende Stimme rief: »O Fitz, bist du endlich hier? Komm herein, Junge, ich brauche dich.«
    Bevor ich die Klinke niederdrückte, wappnete ich mich mit einem tiefen Atemzug gegen den Anprall der unterschiedlichen Gerüche, die mir aus dem halbdunklen Zimmer entgegenschlugen. Verwesungsgestank konnte schwerlich ärger sein als dieser Pesthauch, dachte ich mir.
    Vorhänge aus dickem Stoff umschlossen das Bett. Das einzige Licht im Raum stammte von einer kümmerlichen, blakenden Kerze. Ich nahm sie vom Tisch und trat näher heran. »Lady Quendel?« fragte ich leise. »Was fehlt Euch?«
    »Junge.« Die Antwort kam halblaut aus einer dunklen Ecke des Zimmers.
    »Chade«, sagte ich und kam mir augenblicklich so dumm vor, daß ich heute noch nicht gerne daran zurückdenke.
    »Keine Zeit, alles haarklein zu erklären. Nimm's dir nicht zu Herzen, Junge. Lady Quendel hat zu ihrer Zeit viele hinters Licht geführt und wird es auch weiter tun. Hoffe ich. Jetzt aber vertrau mir und stell keine Fragen. Tu einfach, was ich dir sage. Erstens, geh zur Wirtin. Sag ihr, Lady Quendel hätte einen ihrer Anfälle und müsse einige Tage absolute Ruhe haben. Unter keinen Umständen dürfe sie gestört werden. Ihre Urenkelin wird kommen, um sie zu pflegen ...«
    »Wer ...«
    »Ist bereits in die Wege geleitet. Diese Urenkelin wird ihr das Essen bringen und alles, was sie sonst noch braucht. Du mußt betonen, daß Lady Quendel in Ruhe gelassen werden will. Geh und erledige das.«
    Ich gehorchte, und offenbar machte ich einen so verstörten Eindruck, daß ich äußerst überzeugend wirkte. Die Wirtin versprach hoch und heilig, sie werde nicht dulden, daß in der Nähe des Zimmers sich jemand auch nur zu husten erdreistete, denn keinesfalls wolle sie sich Lady Quendels gute Meinung von ihrem Haus und ihrer Wirtschaft verscherzen. Was den Schluß nahelegte, daß Lady Quendel sie wahrhaft großzügig entlohnte.
    Ich kehrte ins Zimmer zurück. Chade schob den Riegel vor und entzündete an dem niedergebrannten Stummel eine frische Kerze, dann strich er daneben auf der Tischlampe eine Landkarte glatt. Mir fiel auf, daß er Reisekleidung trug – Umhang, Stiefel, Wams und Hose, alles schwarz. Er sah aus wie ein anderer Mensch, drahtig und tatkräftig. Ich fragte mich, ob der alte Mann in der fadenscheinigen Kutte auch eine Maske war. Als er den Blick hob, hätte ich schwören können, Veritas, den Soldaten, vor mir zu haben. Er ließ mir keine Zeit zum Nachdenken.
    »Veritas und Kelvar werden zusehen müssen, wie sie allein zurechtkommen, du und ich, wir haben anderswo Geschäfte. Ich erhielt heute nacht eine Botschaft. Rote Korsaren haben zugeschlagen, hier, in Ingot. So nahe bei Bocksburg, daß es mehr als eine Beleidigung ist. Man kann es als Drohung betrachten. Und ausgerechnet, wenn Veritas sich in Guthaven aufhält. Erzähle mir keiner, sie hätten nicht gewußt, daß er hier ist, weit weg von Bocksburg. Aber damit nicht genug. Sie haben Geiseln genommen und zu ihren Schiffen verschleppt. Dann sandten sie Nachricht zu König Listenreich. Sie verlangen Gold, viel Gold, oder sie werden die Gefangenen in ihr Dorf zurückschicken.«
    »Sollte es nicht heißen, die Gefangenen werden getötet, wenn das Gold nicht gezahlt wird?«
    »Nein.« Chade schüttelte unmutig den Kopf, ein Bär, der von Bienen belästigt wird. »Nein, die Nachricht war unmißverständlich. Wenn das Gold bezahlt wird, sterben die Gefangenen. Wenn nicht, läßt man sie frei. Der Bote aus Ingot, ein Mann, dessen Frau und Sohn unter den Gefangenen sind. Er beteuerte, jedes Wort wäre richtig.«
    »Aber das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Auf den ersten Blick nicht. Aber der Mann, der Listenreich die Botschaft überbrachte, zitterte immer noch am ganzen Leib, trotz des langen Ritts. Man konnte aus ihm nichts weiter herausbekommen, keine Erklärung, keinen

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