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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Hinweis, was von der Sache zu halten ist. Er redete nur ständig davon, wie der Kapitän des Schiffes gelächelt hätte, als er ihm die Botschaft auftrug, und wie die Mannschaft bei seinen Worten lachte und lachte.
    Deshalb werden wir uns an Ort und Stelle ein Bild von den Ereignissen machen. Jetzt sofort. Bevor der König auf das Ultimatum antwortet, bevor Veritas davon erfährt. Schau her. Dies ist die Straße, auf der wir gekommen sind. Siehst du, wie sie dem Verlauf der Küste folgt? Und das ist der Pfad, den wir nehmen werden. Weniger gewunden, dafür steiler und an manchen Stellen sumpfig, So daß er nie von Fuhrwerken benutzt wurde. Aber der kürzere Weg für eilige Reisende zu Pferde. Dort erwartet uns ein Boot, mit dem wir die Bucht überqueren, das spart Zeit und Kräfte. Da landen wir, und dann geht's weiter nach Ingot.«
    Ich studierte die Karte. Ingot lag nördlich von Bocksburg; ich fragte mich, wie lange unser Bote unterwegs gewesen war und ob die Roten Korsaren ihre Drohung schon wahr gemacht hatten, bis wir eintrafen. Aber diese Spekulationen führten zu nichts.
    »Woher bekommst du ein Pferd?«
    »Von demjenigen, der die Nachricht gebracht hat. Draußen steht ein Brauner mit drei weißen Strümpfen – der ist für mich. Der Bote wird auch eine Urenkelin für Lady Quendel besorgen, und das Boot wartet. Also machen wir uns auf.«
    »Eins noch«, sagte ich und ignorierte geflissentlich sein Stirnrunzeln wegen der Verzögerung. »Ich muß das wissen, Chade. Bist du hier, weil du mir nicht vertraust?«
    »Eine gerechtfertigte Frage, nehme ich an. Nein. Ich bin hier, um in der Stadt herumzuhorchen, was man so redet, wie du dich in der Burg umhören solltest. Haubenmacher und Knopfschnitzer wissen möglicherweise mehr als eines Königs Ratgeber, ohne es überhaupt zu ahnen. Zufrieden? Können wir reiten?«
    Wir verließen das Gasthaus durch die Hintertür, und dort war auch der Braune angebunden. Rußflocke schien ihm nicht sonderlich gewogen zu sein, aber sie war ein braves Mädchen und ertrug ihn mit Fassung. Ich spürte Chades Ungeduld, trotzdem ritten wir langsam, bis die gepflasterten Straßen von Guthaven hinter uns lagen. Vor der Stadt fielen die Pferde in einen leichten Trab. Chade übernahm die Führung, und ich staunte, wie gut er im Sattel saß und wie mühelos er im Dunkeln den Weg zu finden verstand. Rußflocke behagte dieses flotte Reiten bei Nacht gar nicht. Wäre nicht der Mond beinahe voll gewesen, glaube ich nicht, daß ich sie hätte überreden können, mit dem Braunen Schritt zu halten.
    Ich werde diesen nächtlichen Ritt niemals vergessen. Nicht, weil wir in halsbrecherischem Galopp den Bedrängten zur Hilfe eilten, sondern gerade aus dem gegenteiligen Grund. Chade dirigierte unsere Aktionen, als wären wir Spielsteine auf einem Brett. Er spielte nicht auf Schnelligkeit, sondern um zu gewinnen. Deshalb ließen wir in Abständen die Pferde Schritt gehen, und wo es geraten schien, stiegen wir ab und führten sie an gefährlichen Stellen vorbei.
    Im Morgengrauen machten wir halt und frühstückten aus Chades Satteltaschen. Die Hügelkuppe, auf der wir uns befanden, war so dicht bewaldet, daß man den Himmel kaum sah. Ich konnte das Meer hören und riechen, aber dem Auge blieb es verborgen. Unser Weg war zu einem schmalen Pfad geworden, kaum mehr als ein Wildwechsel. Da wir uns jetzt still verhielten, machte sich das Leben um uns bemerkbar. Vögel zwitscherten, kleine Tiere raschelten im Unterholz und im Geäst. Chade saß im weichen Moos, mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, und schickte einem großen Schluck aus dem Wasserbalg einen kleinen aus der Branntweinflasche hinterher. Er sah müde aus, und das Tageslicht entlarvte gnadenlos die Spuren des Alters in seinem Gesicht. Ich sorgte mich, ob er diesen Gewaltritt überstehen würde.
    »Mir geht es gut«, sagte er, als er mich dabei ertappte, wie ich ihn anschaute. »Ich habe schon größere Strapazen mitgemacht. Außerdem erwarten uns fünf bis sechs Stunden Ruhe auf dem Boot, falls die Überfahrt ruhig verläuft. Also hat es keinen Zweck, sich jetzt nach Schlaf zu sehnen. Brechen wir auf.«
    Ungefähr zwei Stunden später gabelte sich der Pfad, und wieder nahmen wir die weniger einladende Abzweigung. Nicht lange, und ich mußte mich tief über Rußflockes Hals beugen, um den tiefhängenden Zweigen auszuweichen. Unter den Bäumen herrschte eine feuchte Hitze, das Paradies für Massen kleiner Stechfliegen, die die Pferde quälten

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