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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und in meine Kleider krochen, um ein Stück blanke Haut zu finden. Als ich endlich soweit war, Chade zu fragen, ob wir uns nicht vielleicht verirrt hatten, blieb es mir nicht erspart, einen großen Bissen aus der Wolke der Plagegeister nehmen zu müssen.
    Gegen Mittag erreichten wir eine windige Anhöhe, auf der die Bäume weniger dicht standen. Man hatte einen ungehinderten Ausblick auf das Meer, der Wind erfrischte die schwitzenden Pferde und befreite uns von den Fliegenschwärmen. Es war eine Erlösung, einfach nur wieder aufrecht im Sattel zu sitzen. Der Pfad war so breit, daß ich neben Chade reiten konnte. Die roten Flecken in seinem Gesicht hoben sich scharf umrissen von der blassen Haut ab, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Wieder fing er meinen besorgten Blick auf und runzelte die Stirn.
    »Statt mich anzustarren wie ein Einfaltspinsel, solltest du mir lieber Bericht erstatten«, meinte er barsch, und ich gehorchte.
    Es war schwierig, gleichzeitig den Weg und sein Mienenspiel im Auge zu behalten, doch als er zum zweitenmal ein schnaubendes Geräusch ausstieß, sah ich zu ihm hinüber und bemerkte den Ausdruck ironischer Belustigung auf seinen Zügen. Ich beendete meinen Bericht, und er schüttelte den Kopf.
    »Glück. Dasselbe Glück, das dein Vater hatte. Deine Küchendiplomatie könnte dazu beitragen, alles wieder ins Lot zu bringen, gesetzt den Fall, es steckt nicht doch noch mehr dahinter. Das wenige, was ich an Klatsch gehört habe, paßt dazu. Nun gut. Kelvar war früher ein getreuer Untertan und guter Herzog, und es scheint, daß sein zweiter Frühling ihn nur in ein Stadium vorübergehender Verwirrung gestürzt hat.« Plötzlich seufzte er. »Trotzdem, eine vertrackte Situation – Veritas reist mit großem Gefolge an, um einen Vasallen zu ermahnen, weil er den Küstenschutz vernachlässigt, und derweil wird in seiner Abwesenheit ein Dorf ganz in der Nähe von Bocksburg überfallen. Verflucht! So viele Unklarheiten. Wie sind die Piraten an unseren Türmen vorbeigekommen, ohne entdeckt zu werden? Woher wußten sie, daß Veritas sich in Guthaven aufhält? Oder wußten sie es nicht und hatten einfach Glück? Und was soll dieses merkwürdige Ultimatum bedeuten? Ist es eine Drohung, oder will man uns verspotten?« Die nächsten Minuten ritten wir schweigend.
    »Mir wäre lieber, ich wüßte, was Listenreich vorhat. Als er mir den Boten schickte, hatte er noch keinen Entschluß gefaßt. Vielleicht kommen wir nach Ingot und stellen fest, daß für uns gar nichts mehr zu tun ist. Und ich wüßte gerne genau, welche Nachricht er durch die Gabe an Veritas übermittelt hat. Es heißt, in den alten Tagen, als noch mehr Menschen an der Gabe geschult wurden, konnte ein Mann sagen, woran sein Befehlshaber dachte, wenn er nur eine Weile still war und lauschte. Aber das ist vielleicht nur ein Märchen. Heute ist die Gabe kein Allgemeingut mehr. Ich glaube, es war König Wohlgesinnt, der diesen Einfall hatte. Beschränkt die Gabe auf eine Elite, macht sie zu einem geheimnisumwitterten, raren Werkzeug, um so wertvoller wird sie. Das hielt man seinerzeit für der Weisheit letzten Schluß. Ich habe die Logik nie ganz begriffen. Wenn man das gleiche nun von guten Bogenschützen oder Navigatoren sagte? Andererseits, ich nehme an, die Aura des Geheimnisvollen ist geeignet, einem Offizier in den Augen seiner Soldaten größere Autorität zu verleihen ... oder wie ich Listenreich kenne, genießt er es, seine Untertanen rätseln zu lassen, ob er tatsächlich fähig ist, ihre Gedanken zu lesen, sogar aus der Ferne. Ja, das wäre nach seinem Geschmack.«
    Zuerst dachte ich, Chade wäre in großer Sorge oder sehr zornig. Ein solcher Wortschwall war gänzlich ungewohnt bei ihm. Doch als sein Pferd vor einem Eichhörnchen scheute, das über den Weg huschte, wäre er um ein Haar gestürzt. Ich beugte mich zur Seite und bekam seine Zügel zu fassen. »Fühlst du dich nicht wohl? Was ist los?«
    Er schüttelte schwerfällig den Kopf. »Nichts. Sobald wir auf dem Boot sind, geht es mir wieder gut. Es ist jetzt nicht mehr weit.« Seine blasse Haut hatte einen grauen Schimmer, und bei jedem Schritt des Pferdes schwankte er im Sattel.
    »Legen wir eine kurze Rast ein«, schlug ich vor.
    »Die Flut wartet nicht. Und eine Rast wird mir nicht helfen, im Gegenteil, ich müßte ständig daran denken, wie unser Schiff an den Klippen zerschellt. Nein. Wir müssen weiter.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Vertrau mir, Junge. Ich

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