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Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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haben, erklärte er großzügig.
    Ich schaute an dem schwarzen Pfeiler empor, der vor mir aufragte. Da war das Symbol. Einfach wie eine Tür, hatte Veritas gesagt. Das Symbol berühren und hindurchgehen. Schön und gut, aber mein Bauch war voller Schmetterlinge, und es kostete mich Überwindung, die flache Hand auf den schwarzen Stein zu legen. Ich spürte einen Sog an meiner Gabe. Ich tat einen Schritt, und...
    ... ich trat von grellem Sonnenlicht in grünflimmernden, kühlen Schatten. Die Luft war feuchtwarm und schwer von Pflanzengeruch. Wo sich bei meinem ersten Besuch zaghaft der Frühling angekündigt hatte, empfingen mich jetzt ein strotzender Urwald und ein Willkommenskonzert von Fröschen und Insekten. Nach der Leere und Stille des Steinbruchs war diese Fülle von Leben fast überwältigend. Ich blieb eine Weile stehen, um mich erst einmal daran zu gewöhnen. Vorsichtig senkte ich meine Schutzwehren und griff suchend hinaus. Abgesehen von dem Pfeiler hinter mir spürte ich keine Strömung der Gabe. Ich wagte aufzuatmen. Vielleicht hatte Veritas mit seinem Gabensturm, der Carrod zum Verhängnis geworden war, mehr erreicht als gedacht. Vielleicht hatten sie jetzt Angst, ihn noch einmal herauszufordern. Ich hielt mich an diesem Gedanken fest, als ich mir schließlich einen Ruck gab und auf die Suche nach den versteinerten Drachen ging.
    Bald war meine Hose naß bis zu den Knien vom Waten durch das hohe, feuchte Gras, und von Ranken und Blättern regneten Tropfen auf meinen Kopf und Schultern. Mich störte es nicht, eher fühlte ich mich erfrischt nach dem kahlen Fels und dem Staub des Steinbruchs. Was beim letzten Mal ein halbwegs erkennbarer Pfad gewesen war, wand sich jetzt als kaum fußbreiter Korridor zwischen Wänden aus üppigem Grün hindurch. An einem seichten, glucksenden Bach pflückte ich eine Handvoll scharfer Wasserkresse, die ich im Weitergehen schmauste. Ich nahm mir vor, abends für meine Gefährten einen Batzen mitzunehmen, und rief mir dann wieder meine Mission ins Gedächtnis. Drachen. Wo waren die Drachen?
    Natürlich hatten sie sich nicht von der Stelle gerührt, nur waren Büsche, Sträucher und Gräser ringsherum in die Höhe geschossen. Ich erspähte den Stumpf eines vom Blitz gefällten Baums, an den ich mich erinnerte, und ganz in der Nähe lag Realders Drache. Mit ihm wollte ich beginnen, denn er erschien mir am vielversprechendsten. Als könnte es bei der Verständigung helfen, nahm ich mir die Zeit, ihn von Ranken und anhaftenden Gräsern zu befreien, und dabei machte ich eine eigenartige Feststellung. Der Leib des schlummernden Drachen folgte akkurat der Kontur des Erdbodens, auf dem er lag. Es sah nicht aus, als hätte man eine Skulptur geschaffen und dann hierhergebracht, sondern als hätte ein lebendiges Geschöpf sich zu einem Schläfchen ausgestreckt und nie wieder erhoben.
    Ich bemühte mich, meinen ketzerischen Zweifel zu überwinden und zu glauben. Dies waren dieselben Uralten, die sich auf König Weises Bitten hin erhoben hatten. Sie waren riesigen Vögeln gleich zum Meer geflogen und hatten dort die Korsaren besiegt und sie von unseren Küsten vertrieben. Aus dem Himmel waren sie auf die Roten Schiffe hinabgestoßen, hatten die Besatzung mit Furcht und Schrecken erfüllt oder mit dem Sturm ihrer Schwingen die See aufgepeitscht, bis haushohe Wellen Masten und Rümpfe zerschmettert hatten. Und sie würden es wieder tun, falls es mir gelang, sie zu wecken.
    »Ich werde es versuchen«, sagte ich laut und im Brustton der Überzeugung. »Ich werde sie erwecken.« Langsam ging ich um Realders Drachen herum und versuchte, mir darüber klarzuwerden, wo und wie ich anfangen sollte. Von dem keilförmigen Echsenschädel bis zu dem dornenbewehrten Schweif entsprach diese Skulptur in jeder Hinsicht den Schilderungen von Drachen in Sagen und Märchen. Bewundernd ließ ich die Hand über die glänzenden Schuppen gleiten. Ich spürte die Alte Macht sich träge durch den Stein winden wie Rauch. Jetzt fiel mir schon weniger schwer zu glauben, daß er einst lebendig gewesen war und daß vielleicht noch ein Funke Leben in ihm schlummerte, der neu entfacht werden konnte. War irgendein Künstler, wie groß er auch sein mochte, in der Lage, eine Skulptur von solcher Perfektion zu erschaffen?
    Am Gelenk seiner Schwingen befand sich ein Knochenauswuchs, ähnlich wie bei einem Ganter. Ich hatte keinen Zweifel, daß er damit einen Menschen niederschlagen konnte. Die Dornen an seinem Schweif waren

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