Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 03 - Die Magie des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
einen Weinschlauch, aber der erste Schluck brachte mich zu der Auffassung, es sei besser, ihn zum Säubern der Wunden zu nehmen, die ich anschließend mit Stoffstreifen vom Hemd eines der Soldaten verband. Ein Rest Wein war noch übrig, und ich probierte einen zweiten Schluck. Ich versuchte Nachtauge zu überreden, er solle mich seine Verletzungen auswaschen lassen, aber er lehnte dankend ab und meinte, sie täten schon genug weh.
    Meine Muskeln wurden allmählich steif, doch ich zwang mich, aufzustehen und mit der Fouragebeschaffung fortzufahren. Ich fand den Schulterbeutel eines Soldaten, sortierte alles aus, was ich nicht brauchen konnte, und packte ihn neu. Obenauf schnürte ich zwei zusammengerollte Decken und einen golden-braunen Umhang, der mich an kühlen Abenden wärmen sollte. Zu guter Letzt nahm ich, was noch an Brot vorhanden war, und packte es ebenfalls ein.
    Was soll das? fragte Nachtauge schläfrig.
    Ich habe nicht die Absicht, heute nacht hier zu schlafen; also beschaffe ich mir eine Ausrüstung für unsere Reise.
    Reise? Wohin?
    Ich richtete mich auf und dachte nach. Zurück zu Molly und Burrich? Nein. Niemals wieder. Jhaampe? Wozu? Weshalb noch einmal auf dieser langen und bedrückenden schwarzen Straße entlangwandern? Mir fiel kein guter Grund ein. Trotzdem will ich heute nacht nicht hier schlafen. Ich möchte diesen Pfeiler ein gutes Stück hinter mir wissen, bevor ich mich hinlege und die Augen zumache.
    Nun gut. Dann: Was war das?
    Wir standen stockstill, alle Sinne angespannt. »Laß es uns herausfinden«, sagte ich leise.
    Der Nachmittag neigte sich dem Abend zu, und unter den Bäumen wurde es dunkler. Was wir gehört hatten, war ein Geräusch, das nicht zu dem Chor der Frösche und Insekten und den verklingenden Rufen der Vögel paßte. Es kam aus der Richtung des verwüsteten Lagerplatzes.
    Wir fanden Will, der auf dem Bauch lag und auf den Pfeiler zukroch. Oder besser: Er war gekrochen. Als ich neben ihm niederkniete, rührte er sich nicht. Ihm fehlte ein Bein. Nur noch ein Stumpf des Oberschenkels war übrig, aus dem der zersplitterte Knochen ragte. Er hatte ihn mit einem Hemdsärmel abgebunden, aber nicht fest genug, um die Blutung zum Stillstand zu bringen. Er lebte, jedenfalls noch. Wie es aussah, hatte er gehofft, den Pfeiler zu erreichen und auf der anderen Seite weitere Truppen Edels zu finden, die ihm helfen konnten. Edel mußte gewußt haben, daß er noch am Leben war, hatte aber niemanden geschickt, um ihn zu holen. Er besaß nicht einmal soviel Anstand, für den Mann zu sorgen, der ihm so lange gedient hatte.
    Ich löste den Ärmel und knotete ihn fester zusammen. Dann hob ich Wills Kopf an und ließ ein paar Tropfen Wasser in seinen Mund rinnen.
    Wozu die Mühe? fragte Nachtauge. Wir hassen ihn, und er ist so gut wie tot. Laß ihn sterben.
    Noch nicht. Jetzt noch nicht.
    »Will? Kannst du mich hören, Will?«
    Nur seine Atmung veränderte sich. Ich gab ihm noch etwas Wasser. Es lief ihm in den Hals; er hustete matt und trank den nächsten Schluck. Schließlich nahm er einen tieferen Atemzug und stieß ihn aus.
    Ich öffnete mich und ließ Gabe in mich einströmen.
    Mein Bruder, tu das nicht. Laß ihn sterben. Das ist die Art der Aasvögel, an etwas Sterbendem zu picken und zu zerren.
    »Es ist nicht Will, auf den ich es abgesehen habe, Nachtauge. Er bietet mir vielleicht die letzte Möglichkeit, Edel zu töten, und ich werde sie ergreifen.«
    Nachtauge antwortete nicht, sondern legte sich neben mir auf den Boden und schaute zu, wie ich immer mehr von der Gabe in mir speicherte. Konnte ich soviel in mich aufnehmen, um damit zu töten?
    Will war so schwach, daß ich mich fast schämte. Ich drängte mich an seinen Barrieren vorbei, wie man die Hände eines kranken Kindes beiseite schieben würde. Der Grund dafür waren nicht allein der Blutverlust und die Schmerzen. Es war Burls Tod so bald nach Carrods. Und es war die Erschütterung darüber, von Edel im Stich gelassen worden zu sein. Seine Treue zu Edel war ihm mittels der Gabe aufgezwungen worden, er konnte nicht begreifen, daß Edel sich ihm nicht ebenfalls verbunden fühlte. Von mir so vollkommen durchschaut zu werden, empfand Will als unerträgliche Demütigung. Töte mich, Bastard, nur zu. Ich sterbe ohnedies.
    Es geht nicht um dich, Will. Es ist nie um dich gegangen. Ich tastete mich in sein Bewußtsein vor, als fühlte ich in einer Wunde nach einer Pfeilspitze. Will wehrte sich schwach gegen mein Eindringen, aber ich

Weitere Kostenlose Bücher