Die Legende vom Weltenverschlinger 1 - Angriff auf Maremora
am Frühstückstisch in dem kleinen Wohnraum neben der Küche, der durch die Herdfeuer praktischerweise mitgeheizt wurde.
Haemvil steckte nur kurz den Kopf durch den offenen Türbogen, begrüßte seinen Vater und verkündete, dass er es eilig habe, dem Befehl seines Kommandanten Folge zu leisten. Sein Vater nickte, denn er kannte als altgedienter Krieger und einstiger Kommandeur der Harabroia die soldatischen Regeln nur zu gut. Die Frauen des Haushalts hatten jedoch Einwände, wie man an dem entrüsteten Ruf seiner Schwester ermessen konnte. Als ginge es um ihr Leben, stellte sie sich zwischen ihren Bruder und die Haustür.
»Du gehst nicht, ohne etwas gegessen zu haben!« sagte sie mit felsenfester Stimme. Haemvil grinste. Er hatte Unteroffiziere beim Drill der Krieger gesehen, die nicht solch eine dominante Aura besaßen wie seine Schwester. Lia deutete sein Grinsen falsch, hob drohend den Kochlöffel, den sie noch in der Hand hielt und von dem Haferbreireste zu Boden tropften.
»Bei Haicea, du wirst dich jetzt an den Tisch setzen. Der Hattazira kann auch noch einige Atemzüge warten.«
Lias schwarzhaariger Bruder warf den Kopf zurück, als er lauthals lachte. »Lia, man könnte dich für eine Personifikation der Kettnerin halten«, prustete er. Haicea, auch die Immergrüne genannt, war eine der wichtigsten Göttinnen in Maremora. Menschen, die sie gesehen hatten, sprachen von einer wunderschönen Frau, die zum Teil aus Wurzelwerk bestand, stets von einem Wirbel aus grünen Blättern umgeben war und deren Haare aus einem Blumenmeer bestanden. Frauen beanspruchten sie als ihre Hauptgöttin und als Göttin des Herdfeuers. Kettnerin wurde sie zumeist von Männern bezeichnet, wenn diese andeuten wollten, dass sie unglücklich verheiratet waren oder wenn sie sich von Frauen ungerechtfertigt an die Leine genommen fühlten. Sehr klug war es jedoch zumeist nie, diesen diffamierenden Namen in Gegenwart einer Frau zu verwenden.
In der Tat verfinsterte sich Lias Gesicht, doch bevor es zum Streit kommen konnte, trat die grauhaarige Dienerin Aphela an Haemvil heran und überreichte ihm ein in Papier gewickeltes Päckchen. Haemvils Lachen erstarb und erstaunt nahm er das Päckchen entgegen, aus dem es verlockend appetitlich duftete.
»Und nun, junger Herr, macht Euch von dannen, bevor sich der Hattazira Euch vorknöpft wie die junge Herrin.« Sie schritt an Lia vorbei zur Haustür, öffnete die schwere Holztür und verbeugte sich.
Haemvil blickte zu seinem Vater, der sein breites Grinsen hinter einem Löffel Haferbrei versteckte, und schritt an der immer noch zornig dreinblickenden Lia vorbei zur Tür hinaus. Er nickte Aphela zu, die sich erst aufrichtete, als der junge Herr das Haus verlassen hatte, und erntete ein verschmitztes Lächeln. Sein einstiges Kindermädchen war eindeutig weise. Sie hatte ihn tatsächlich wie einen Schuljungen mit einem Pausenbrot hinausgeschickt, als würde er noch in die Schule gehen.
Er schüttelte lachend den Kopf und schritt gut gelaunt in die Stadt hinaus. Nach einigen Schritten faltete er das Päckchen auseinander und fand ein liebevoll zubereitetes Fladenbrot, aus dem gewürztes Fleisch quoll. Herzhaft biss er hinein, denn er hatte nicht zugeben wollen, dass er tatsächlich hungrig war. Aphela schien nicht vergessen zu haben, was Männern am besten schmeckte.
Mit zügigen Schritten ging er über den Versammlungsplatz, auf dem Hattazira Runas Onin gestern gesprochen hatte, und eilte weiter in den Norden der Stadt, wo sich die Kasernen und das Hauptquartier des Hattazira befanden.
Für einen Moment stoppte Haemvil abrupt und blickte in das Fladenbrot, das er mittlerweile halb aufgegessen hatte. Statt Fleisch fand er im inneren Bereich des Fladenbrotes nur noch Gemüse. Irritiert stocherte er mit einem Finger in Zwiebeln, Tomaten und Kräuterblättern, bevor er den Kopf schüttelte.
»Aphela ist weise, oh ja, das ist sie«, schmunzelte er. Mit Todesverachtung aß er weiter und betrat die hintere Kaufmannsgasse. In Camlan befanden sich wie in den meisten maremoranischen Städten der Markt und die Geschäfte vor allem am Eingang der Stadt, damit Reisende sofort die Vielfalt maremoranischer Waren bestaunen und kaufen konnten, doch einige waren auch noch in der hinteren Kaufmannsgasse im Zentrum von Camlan ansässig.
Zu ihnen gehörte Akhir Anar, der mit seinem klapprigen Wagen und mit quietschenden Achsen soeben durch die Gasse rumpelte. Der rundliche Händler mit dem Stoppelbart, dessen
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