Die Legende vom Weltenverschlinger 1 - Angriff auf Maremora
kleine Stadt innerhalb der Stadt Camlan. Haemvil schritt rasch an einem Komplex von einfachen Holzbaracken vorbei. Nicht alle Krieger nannten Camlan ihr Zuhause so wie Haemvil es tat und so verbrachten sie die Nacht hier in der Kaserne. Für alle Männer - und Frauen - war natürlich nicht genügend Platz in der Kaserne und so konnte man in den Baracken zumeist die Offiziere und Unteroffiziere antreffen. Der Rest lagerte in einfachen Zelten im Norden der Stadt.
Weißer Rauch aus mehreren Schornsteinen kündete bei den nächsten Gebäuden, die er hinter sich ließ, von der Küche, die in der Lage war, die Mahlzeiten für die etwa fünftausend Kämpfer zuzubereiten. Es handelte sich um eine komplexe Aufgabe von Organisation und Muskelkraft, bis die Mahlzeiten auf dem Tisch standen, wie Haemvil an einem Dutzend Krieger sah, die soeben Wasserkessel heranschleppten.
Schließlich erreichte er die Stufen des Stabsgebäudes des Hattazira, das bereits von Weitem erkennbar war. Unnützen Zierrat suchte man vergebens, doch war die Architektur des Holzgebäudes von einer ganz anderen Qualität als der irgendeines anderen Gebäudes. Es handelte sich um das größte Bauwerk in der Kaserne und besaß als Einziges ein Dach aus Schindeln. Geschwungene Holzgiebel gaben dem Gebäude das Aussehen eines gigantischen Hutes. Ein Wehrgang umgab das Gebäude und vier Wachen waren am Eingang postiert, der zunächst über einen engen Korridor in eine Empfangshalle führte.
Haemvil nahm Blickkontakt mit den Wachen auf und grüßte sie mit der Faust auf dem Herzen. Die Wachen nickten und grüßten ernst zurück. Der Letzte eilte Haemvil voraus, um Hattazira Runas Onin seine Ankunft zu melden.
Haemvil hatte kaum den militärisch schlicht gehaltenen Vorraum erreicht, als sich durch den rechten Türbogen sein Kommandeur mit energischen Schritten näherte. Runas Onins scharf geschnittene Gesichtszüge und seine klaren, blitzenden Augen richteten sich auf Haemvil. Dieser grüßte seinen Oberbefehlshaber wie üblich, indem er die Hand mit der geballten Faust an das Herz führte. Denn auch der Hattazira war nur ein Erster unter Gleichen. Mochten die Lakaien des Graelfir in Inzilbeth den Boden küssen, hier waren sie in Maremora und sie waren alle Krieger. Dennoch hätte ein Beobachter bemerkt, dass Haemvil seinen Gruß mit großer Körperspannung ausführte und sich darin sein grenzenloser Respekt für Runas Onin ausdrückte.
Dieser erwiderte seinen Gruß und gewährte ihm ein bedeutendes Privileg, indem er seinen Arm auf Haemvils Schulter legte.
»Tûn«, begann er mit Haemvils militärischem Rang eines Offiziers der Fußtruppen. »Ihr habt gegen die Eindringlinge tapfer gekämpft und ich danke Euch dafür.«
Haemvil nickte stolz. Ein Lob vom Hattazira war selten, kostbar und von Bedeutung. »Ich tat meine Pflicht wie alle, mein Hattazira. Ich würde jederzeit für meine Heimatstadt Camlan und für mein Heimatland Maremora mein Leben geben.«
Runas Onins Blick drang tief in seine Augen und er hatte das Gefühl, der Hattazira blicke bis auf den Grund seiner Seele, ohne das sorgfältig aufgeschichtete Mauerwerk aus Masken, Sprache und Rollenspiel zu beachten.
»Daran zweifle ich keinen Moment, Haemvil«, sagte er leise und fuhr mit seltsamer Intensität in der Stimme fort: »Doch ich gebe Euch den Rat, nicht bedenkenlos Euer Leben fortzuwerfen, sondern es dann zu tun, wenn der Moment diesen Preis auch rechtfertigt und wenn dies Euer Schicksal sein sollte«.
Haemvil fühlte ein Kribbeln auf der Haut, das ihm über den Rücken zog, doch der Hattazira wandte sich ab und der Moment ging vorüber. Er ließ sich von einem seiner Adjutanten ein Dokument geben, mit dem er sich wieder zu Haemvil herumdrehte.
»Tûn Kaidwar hat mir berichtet, dass Euch etwas«, er zögerte unmerklich, »Ungewöhnliches auf dem Schlachtfeld widerfahren ist.« In seinen Worten lag eine Aufforderung.
Haemvils Blick verdüsterte sich. Dann berichtete er, was nach der Schlacht passiert war und wie der scheinbar auf dem Schlachtfeld gefallene Fremdling zu untotem Leben erwacht war, ihn angegriffen und wie sein Freund Kaidwar ihm das Leben gerettet hatte.
Runas Onins hartes Gesicht blieb ausdruckslos. Er fragte Haemvil nach einigen Details, und erst jetzt fiel Haemvil wieder ein, dass sie erst durch die Tätowierung auf den Mann aufmerksam geworden waren.
»Auch Kaidwar sprach davon«, bestätigte der Hattazira. »Könnt Ihr das Hautbildnis aufzeichnen und wiedergeben?«
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