Die Legende vom Weltenverschlinger 1 - Angriff auf Maremora
die zu einer massiven Holztür führte. So leise wie möglich öffnete er diese Tür und hörte Stimmen, die die überaus stabile Tür vollständig gedämmt hatten.
Lautlos schlich er links in einen Korridor, von dem er wusste, dass er in einen großen Lagerraum führte und wo er den Ursprung der Stimmen vermutete, die einem Weinen und Schluchzen ähnelten. Haemvils Herz begann, schneller zu schlagen. Vernahm er die Stimme seiner Mutter oder wurde er wahnsinnig?
Die Tür zum Kellerraum war halb geöffnet und vorsichtig spähte er hindurch. Was sich seinen Augen darbot, ließ ihn erstarren. Vier Personen waren an Fleischerhaken befestigt und hingen von einem mächtigen Balken, an dem sonst Schinken baumelten. Ihre Hände und Füße waren gefesselt. Haemvil blinzelte und schüttelte den Kopf, da nicht sein konnte, was seine Augen ihm zeigten. Ganz links sah er Aphela am Balken hängen. Nicht die grauhaarige, greise Aphela, sondern eine Dienerin mit schwarzen Haaren und in voller Lebensblüte, wenn auch mit panisch umherblickenden Augen. Neben ihr hing sein Vater - grimmig, jung, stark und mit einem muskulösen, nackten Oberkörper, auf dem Muskeln spielten. Blut lief in Rinnsalen über sie.
Neben seinem Vater hing seine Schwester. Allerdings war sie ein Kind von etwa vier Jahren, sodass das Seil vom Fleischerhaken bis zu ihren gefesselten Händen sehr viel länger reichte als bei seinem Vater und Aphela. Sie weinte apathisch und leise.
Die letzte Person neben ihr erschütterte Haemvil bis in den tiefsten Punkt seiner Seele. Es war seine Mutter Tashida Bralda. Er starrte sie an, sog jedes Detail ihrer Gesichtszüge in sich auf und wünschte sich, er könnte jetzt einfach zu ihr gehen und weinen.
Ihr wütender Blick und ihr geschundener Körper zwang allerdings seine Aufmerksamkeit auf die unheimlichen Gestalten, die geschäftig zwischen den herabhängenden Gefangenen - Haemvils Familie - und einer langen Bank hin-und hereilten. Sie trugen lange, schwarze Kutten und Haemvil fiel auf, dass ihre Bewegungen seltsam unnatürlich waren. Sie schienen nicht zu laufen, sondern zu schweben, und Haemvil hörte keinerlei Schritte. Die Kapuzen waren zudem so weit geschnitten, dass er keine Gesichter erkennen konnte.
Er riss sich vom Anblick seiner Familie los, verdrängte sämtliche Gedankenspiele und duckte sich vorsichtig in den Schatten der halb geöffneten Tür. Es gab nur eine Gelegenheit für ihn, seine Familie zu retten. Wenn er versagte, würden sie alle und er selbst Opfer der unheimlichen Kapuzenträger werden. Eilig analysierte er die taktische Lage. Wenn er sich nicht verzählt hatte, befanden sich vier Kapuzenträger im Raum. Haemvil beschloss, seinen Vater zu befreien, weil dieser als Einziger in der Lage wäre, ihm im Kampf beizustehen. Auch wenn Tilbad Bralda vermutlich zunächst kaum seine Glieder würde bewegen können, da sie höchstwahrscheinlich durch die Fesselung taub waren, wäre er hoffentlich in der Lage, die Feinde wenigstens abzulenken. Er musste also mit einem Überraschungsangriff die Fremden zunächst aus dem Konzept bringen, um an seinen Vater heranzukommen.
Haemvil hob den Schild und lugte durch die Türöffnung auf die grausame Folterszene im Kellerraum. Als die Kapuzenträger sich alle an dem Tisch befanden, auf denen sie mit Foltergeräten hantierten, nutzte Haemvil die Gelegenheit und stürmte in den Raum. Die Kellertür schoss aus den Angeln, als er sich mit aller Wucht dagegen warf. Brüllend stürmte er weiter und rammte den Tisch um, der alle Angreifer umwerfen sollte. Sein Plan schien zu gelingen und mit hämmerndem Herzen und geschärften Sinnen sah er, wie der gewaltige Tisch mit den Foltergeräten unter seinem Ansturm geradezu auf die Folterknechte zustürzte. Wie von Sinnen war er im Begriff, auf seinen Vater zu stürzen und ihn vom Fleischerhaken mit einem Schwertstreich zu befreien, als er mitansah, wie der Tisch durch die Kapuzenträger hindurchfiel, als wären diese überhaupt nicht vorhanden. Sein Brüllen erstarb und sein Angriff geriet ins Stocken. Instinktiv verlegte er sich auf die Defensive, hob den Schild und griff den nächsten Kapuzenträger an. Das Breitschwert schoss direkt auf die verletzlichste Stelle, das Gesicht, zu und Haemvil stieß die Spitze mit voller Wucht in die Schwärze der Kapuze. Er sah, wie die Spitze eindrang und wie die Schwärze Wellen warf - wie ein dunkler Weiher, der zu unheiligem Leben erwachte, wenn ein dummer Junge einen Kieselstein
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