Die Legende
Fleisch. Der alte Mann ignorierte den plötzlichen Schmerz und warf sich über den gestürzten Schwertkämpfer. Seine linke Hand umklammerte das rechte Handgelenk seines Gegners, Nogusha tat das gleiche.
Der Kampf war jetzt geradezu titanisch; beide Männer versuchten, den Griff des anderen zu lösen. Sie waren praktisch gleich stark, wobei Druss allerdings den Vorteil hatte, daß er auf dem anderen lag und so sein Gewicht einsetzen konnte, um ihn am Boden zu halten. Nogusha dagegen war jünger, und Druss hatte eine tiefe Wunde. Blut rann seinen Rücken hinab und sammelte sich über dem schweren Ledergürtel, der seine Weste zusammenhielt.
»Du kannst... nicht... gegen mich bestehen...«, zischte Nogusha mit zusammengebissenen Zähnen. Druss, dunkelrot im Gesicht vor Anstrengung, antwortete nicht. Der Mann hatte recht - er spürte, wie seine Kräfte nachließen. Nogushas rechter Arm kam langsam hoch; die Schwertklinge glitzerte in der Morgensonne. Druss' linker Arm begann vor Anstrengung zu zittern und würde jeden Moment nachgeben. Plötzlich hob der alte Mann den Kopf und rammte ihn dem hilflosen Nogusha ins Gesicht. Die Nase brach, als der Rand des silbergefaßten Helms darauf niederkrachte. Noch dreimal stieß Druss mit dem Kopf zu, und Nogusha geriet in Panik. Seine Nase und ein Wangenknochen waren bereits zerschmettert. Er drehte sich, ließ Druss' Arm los und brachte einen mächtigen Schlag gegen sein Kinn an, doch Druss steckte ihn ein und hämmerte dem Mann Snaga in den Hals. Blut quoll aus der Wunde, und Nogusha hörte auf zu kämpfen. Sein Blick begegnete dem des alten Mannes, aber kein Wort wurde gesprochen: Druss hatte keinen Atem, Nogusha keine Stimmbänder mehr. Der Stammeskrieger wandte die Augen zum Himmel und starb. Druss erhob sich langsam; dann packte er Nogusha bei den Füßen und zerrte ihn die wenigen Stufen zur Brustwehr hinauf. In der Zwischenzeit hatten sich die Nadir zurückgezogen, um sich auf den nächsten Angriff vorzubereiten. Druss rief zwei Männer herbei und befahl ihnen, Nogushas Körper aufzurichten. Dann kletterte er auf die Brüstung.
»Haltet meine Beine fest, aber so, daß man euch nicht sehen kann«, flüsterte Druss den beiden Soldaten zu. Voll im Blickfeld der sich sammelnden Nadir, zog er Nogushas Leiche in einer gewaltigen Bärenumarmung hoch, packte ihn an Hals und Leiste und stemmte den riesigen Körper mit ungeheurer Anstrengung hoch über seinen Kopf.
Mit Schwung und einem lauten Schrei schleuderte er ihn über die Mauer. Hätten die Männer ihn nicht festgehalten, er wäre gestürzt. Sie halfen ihm herab, und ihre Gesichter verrieten Besorgnis.
»Bringt mich ins Lazarett, bevor ich verblute«, flüsterte
27.
Caessa saß schweigend, doch aufmerksam neben dem Bett, den Blick unverwandt auf den schlafenden Druss gerichtet. Mit dreißig Stichen war die Wunde auf dem breiten Rücken des Axtkämpfers genäht worden, die sich vom Schulterblatt über die Schulter selbst zog, wo sie am tiefsten war. Der alte Mann schlief, betäubt von Mohnwein. Er hatte viel Blut verloren und war auf dem Weg ins Lazarett zusammengebrochen. Caessa stand neben Calvar Syn, als er die Wunde nähte. Sie hatte nichts gesagt. Und jetzt saß sie einfach nur da.
Sie verstand nicht, warum der alte Krieger sie so faszinierte. Gewiß begehrte sie ihn nicht - Männer hatten in ihr noch nie Begehren geweckt. Liebe? War das Liebe? Sie konnte es nicht wissen, hatte keine Vergleichsmöglichkeiten, um ihre Gefühle einzuschätzen. Ihre Eltern waren auf gräßliche Weise ums Leben gekommen, als sie sieben Jahre alt war. Ihr Vater, ein friedlicher, sanftmütiger Bauer, hatte versucht, Männer aufzuhalten, die seine Scheune ausraubten, und sie hatten ihn ohne zu zögern niedergeschlagen. Caessas Mutter hatte sie bei der Hand genommen und war mit ihr zum Wald oberhalb der Klippen gerannt. Aber die Räuber sahen sie und schnitten ihnen den Weg ab. Die Frau konnte das Mädchen nicht tragen, denn sie war schwanger. Und sie wollte das Kind nicht allein lassen. Sie hatte gekämpft wie eine Wildkatze, aber man hatte sie überwältigt, vergewaltigt und erschlagen. Währenddessen saß das Mädchen die ganze Zeit unter einer Eiche, starr vor Angst, unfähig, auch nur zu schreien. Ein bärtiger Mann mit stinkendem Atem war schließlich zu ihr gekommen, hatte sie brutal an den Haaren hochge-zerrt, sie zum Rand der Klippe geschleift und ins Meer geworfen.
Sie war nicht auf den Felsen zerschmettert worden, wenn
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