Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
dieser recht?« Saî’losôi fluchte und versetzte ihr einen Hieb mit der flachen Hand ins Gesicht. »Ich gebe dir so lange von diesem Wein, bis du dich erinnerst!«, schrie die Braunhaarige furchterfüllt. »Und bei den Ahnen der Nhatai, ich schwöre, dass ich dich selbst umbringe, bevor es einer von Ysor’kenôrs Leuten tun kann.« Nach drei raschen, knallenden Ohrfeigen, die ihre Vetterin jammernd abzuwehren versuchte, änderte sich der Blick und schien aufzuhellen. »Oh, du entsinnst dich?«
Fa’losôi schluckte und berührte den Diamantsplitter auf ihrer Nasenwurzel. Sie schloss die Augen. »Ich muss mich konzentrieren.«
»Gut! Sehr gut! Jetzt …«
Ein starker hellgrüner Schein, der von der Seite auf die Botoikerinnen fiel, irritierte Saî’losôi.
Sie wandte den Kopf, um nach dem Grund zu sehen, und reckte den Dolch.
»Die Endlichkeit erwartet dich.« Die Todestänzerin erhob sich neben ihr. Sie hatte das schwarze Gewand abgestreift und trug nichts als den Unterleibswickel. Das, was Saî’losôi für eine Eisenstange gehalten hatte, erwies sich als Aiphatòns Runenspeer.
Sämtliche Symbole erstrahlten und beleuchteten Tanôtaï, welche die Waffe in ihrer unverletzten Hand hielt; die Linien auf ihrer Haut glommen ebenfalls, die Edelsteine erstrahlten. Die lange, schmale Klinge zielte auf die braunhaarige Botoikerin – und stieß zu.
Saî’losôi vermochte den Speer nicht mit dem Dolch abzuwehren, schleifend rutschte ihre Waffe über das Metall. Der dünne Hausmantel bot keinerlei Widerstand, die Spitze fuhr mitten in ihr Sonnengeflecht.
Sie öffnete den Mund zu einem Schrei, bekam aber keine Luft.
»So erging es mir«, kommentierte die rothaarige Albin und drehte den Schaft, damit die Klinge größeren Schaden im Körper der Feindin anrichtete. Die Runen flackerten, als hätten sie sich verausgabt oder wären durch die Berührung mit der Magie der Botoikerin überfordert; dann erloschen sie. »Doch ich atme wieder. Das wirst du niemals mehr.« Sie riss den Speer aus der Sterbenden, Blutströpfchen fielen auf den aufklaffenden Mantel und die Haut der Frau. »Dein Tod heißt Tanôtaï«, sprach sie auf Albisch, die nassrote Klinge schwenkte auf Fa’losôi, die noch immer mit geschlossenen Augen dalag. »Und auch dein Tod trägt meinen Namen.«
Die Muskeln der schlanken Todestänzerin spannten sich.
In Saî’losôis Mitte breitete sich zuerst Hitze aus, die in den kleinsten Winkel ihres Körpers brandete, der eine zweite Woge aus Eis folgte. Ihre Augen waren ungläubig auf Tanôtaï gerichtet, die sich für den Stoß genüsslich Zeit nahm. Oder …
»Ist es nicht ein Jammer, dass du zum zweiten Mal versagst?« Um Fa’losôis Mundwinkel spielte ein Lächeln, die Lider hatten sich nicht gehoben. »So dicht davor, dein Volk von meinem Willen zu befreien.«
Sie ist endgültig erwacht. Saî’losôi sank stumm zur Seite, die Welt verschwamm und verdüsterte sich. Sie erahnte die Geschehnisse mehr als sie zu erkennen.
Tanôtaï gab ein verzweifeltes Stöhnen von sich und konnte sich nicht rühren.
»Da sind wir wieder, meine Puppe. Wie beim Essen, zu dem ich dich und Aiphatòn einlud.« Fa’losôi öffnete ihre Augen, der Blick richtete sich triumphierend auf die Albin. Sie schien sich weder für den Ausgang der Schlacht noch für die nahenden Gegner zu interessieren. »Ihr Albae seid eine Rasse, die ich niemals verstehen werde. Aber wozu sich um Tote kümmern?«
Aus den sich lichtenden Staub- und Rauchwolken sirrten Pfeile in ihre Richtung.
Saî’losôi fühlte einen Einschlag in ihrem Rücken, neben der Wirbelsäule. Aber die Kälte, die das ersterbende Sonnengeflecht verursachte, überdeckte alles.
Fa’losôi blieb am Boden und machte sich hinter den Balken kleiner. »Ah, nun wird es lästig.«
Zwei Geschosse trafen die aufrecht stehende Todestänzerin durch den Oberschenkel und in die Schulter. Ihr Antlitz wurde von Zorneslinien überzogen, aber ihr Mund blieb geschlossen. Erneut rollten Tränen der Enttäuschung und des Schmerzes ihre Wange hinab.
»Du wärst sicherlich ein Motiv, um das sich die Maler und Skulpteure deines Volkes stritten«, kommentierte Fa’losôi nachdenklich. » Die erstarrte Todestänzerin. So könnte der Titel des Werkes lauten, das sie zu deinen Ehren erschafften.«
Ein Pfeil schwirrte heran und bohrte sich in die rechte Seite der rothaarigen Albin.
Tanôtaï blieb stehen, die Spitze zielte unvermindert auf die Gegnerin. Das Blut rann aus ihren Wunden
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