Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
gedanklich für sein vorausschauendes Handeln«, sprach sie laut.
Der Leibwächter lachte leise. »Ja, das kann er. Deswegen existiert unsere Heimat noch und wurde nicht wie alle anderen Albaestädte aufgerieben. Von Abschaum, von Barbaren und von Bestien.« Er folgte ihrem Blick, die Hand legte sich an den Griff des langen Dolches, den er am Oberschenkel befestigt trug. »Eine sehr große Stadt. Ich sehe kaum Verteidigungsanlagen. Nur am Hafen recken sich zwei Türme.« Er deutete auf das Schiff. »Aber ich verstehe, weswegen ihre Flotte als unbezwingbar gilt. Der Rumpf des Hauptschiffes, auf dem wir reisen, ist achtzig Schritt lang und etwa zwanzig breit, der Tiefgang dafür sehr gering.«
»Sie kommen damit nicht durch die Engstelle.«
»Damit nicht. Für einen solchen Plan lassen sie andere Boote entwerfen.« Arthâras konnte seine Bewunderung trotz der Abneigung nicht verbergen. »Diese sind gemacht, um auf See leben zu können. Mehrstöckig, Becken mit Fischen und auf der Reise gedeihendem Getreide, sogar Hühnerkäfige haben sie«, zählte er auf. »Es ist eine Kriegersiedlung zu Wasser.«
»Die man versenken kann«, hakte die blonde Albin ein.
»Das wird schwer. Ich konnte nicht viel sehen, weil sie mir nicht erlauben, in jeden Winkel zu steigen, aber ich glaube, es gibt Kammern im Rumpf, die sich abschotten lassen. Im Falle eines Lecks geht dieses Schiff nicht sofort unter, sondern teilt weiterhin tödliche Schläge aus.«
Irïanora sah zu den drei große Masten, zwei schmalere standen in ihrer Nähe auf dem Vordeck. Begleitet wurde das gewaltige Schiff von vier kleineren, sehr wendigen Seglern, die für zusätzliche Sicherung sorgten. Sie hatten sich ebenso über die Reusen mit der unterseeischen Meeresströmung verbunden und wurden gezogen.
Arthâras legte eine Hand an die Brüstung. »Die Frekorier wussten, wie man ungeschlagen bleibt, und Elhàtor hat es zur Vollendung geführt. Wir könnten diese Flotte sehr gut gebrauchen.«
»Du würdest gerne gegen Elhàtor ins Gefecht ziehen«, sagte Irïanora verwundert, als sie den Ausdruck auf seinen Zügen erkannte. Veteranenstolz.
»Möglich.«
Ein Bruder im Geiste. Sie senkte die Stimme. »Aber mein Oheim wird das niemals zulassen. Er will den Frieden aufrechterhalten.«
»Deswegen bringe ich dich zur Herrscherin«, sagte er. »Es ist sein Wille. Wie du schon sagtest: Er ist vorausschauend und sorgte dafür, dass Dâkiòn mächtig wurde und überdauerte. Meine Gedanken zählen hierbei nicht.« Er lachte plötzlich.
»Was findest du so komisch?«
»Dass du tatsächlich auslotest, ob ich mich auf deine Seite schlüge. Zuerst ich, dann vielleicht die Garde, und dann, eines Moments der Unendlichkeit, erwogst du einen Aufstand gegen deinen Oheim«, erriet er ihre Gedanken. »Glaubst du nicht, dass er auch das schon in Betracht zog?« Arthâras deutete auf das Emblem an seiner Rüstung. »Ich bin treu, wie es treuer nicht geht. Der Zusammenhalt macht uns stark. Ohne ihn ist die Stolze verloren.«
Irïanora betastete die feuchten blonden Haare, die sich unter der Einwirkung des Salzwassers und der Sonne allmählich kräuselten. Sie ärgerte sich sowohl über den vorlauten Leibwächter als auch über den Umstand, dass ihr Oheim schon wieder einen Zug führte. »Oh, du liegst falsch. Das dachte ich nicht«, log sie – und bekam eine Eingebung. »Ich dachte an die Kassette.«
»So?« Schmunzelnd wandte er sich zu ihr. »Was ist damit?«
»Mein Oheim schrieb darin, dass einer von euch beiden die wahre Nachricht an die Herrscherin bei sich trägt.«
Der Rumpf machte einen kleinen Satz vorwärts, das unterseeische Segel musste eine heftige Strömung eingefangen haben. Der Bug hob sich leicht an und senkte sich dann tiefer hinab.
Der Kommandant gab laute Befehle, vom Unterdeck erklang das Rattern einer Winde. Die Länge der Taue wurde deutlich vernehmbar korrigiert.
Irïanora hob eine Hand, um die vom Rumpf aufstiebenden glitzernden Tropfen abzuwehren. Ein Teil der Gischt traf sie dennoch. »Er wusste, dass ich sie öffnen würde.«
»Das tat er wohl, ja.« Arthâras lachte leise. »Nun fragst du dich, wer von uns beiden diese Botschaft bei sich trägt: ich oder deine Dienerin Zelája?«
Irïanora stimmte in das Lachen mit ein und schlug ihm leicht gegen die rechte Schulter. »Aber nein, Arthâras. Ganz im Gegenteil.« Sie ließ ihre Hand auf der Rüstung liegen und zog die Intarsien im Leder nach.
Nun war der Leibwächter verwirrt. » Im Gegenteil
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