Die Legenden der Albae: Tobender Sturm (Die Legenden der Albae 4) (German Edition)
bedeutet was? Dass es dir gleichgültig ist?«
»Das nicht. Es würde die Sache vereinfachen, wenn ich es wüsste.«
Nun blickte Arthâras verwundert, lachte aber dabei immer noch. »Du redest durcheinander, Irïanora. Es ist dir nicht gleich, und dennoch …«
Das Rattern unter ihren Füßen endete. Die Zugkraft auf die Taue ließ nach, und der Bug erhob sich etwas.
Die Albin hatte mit der Aufwärtsbewegung gerechnet. Während Arthâras noch sein Gewicht verlagerte, um die Schwankung auszugleichen, versetzte Irïanora ihm einen unerwartet harten Stoß gegen die Schulter, sodass sich ihr Schub und die Schiffsbewegung zusammentaten.
Der Leibwächter prallte mit der Hüfte gegen die Brüstung, wurde darübergeschleudert; dabei griff Irïanora zu und entwendete dem Stürzenden den Dolch.
Arthâras besaß die Körperbeherrschung eines Kriegers und vollführte im Fall eine Drehung. Er bekam mit der rechten Hand eines der Reusentaue zu fassen.
Irïanora fluchte und sah sich rasch um.
Niemand hatte etwas bemerkt.
Daher bückte sie sich und zog ihr eigenes Messer. Die Waffe des Leibwächters benötigte sie noch.
»Das wird dir dein Oheim niemals vergeben. Ein Mordversuch! « Arthâras starrte zu ihr hoch und wollte nachfassen, um sich am Seil hinaufzuziehen.
»Du liegst falsch: ein Mord , von dem er nichts erfahren wird«, hielt sie dagegen und schleuderte das Messer.
In seiner Lage vermochte der Alb nicht auszuweichen. Die Klinge fuhr ihm durch die Hand, mit der er das Tau umklammerte. Sehnen wurden durchtrennt, die Finger mussten sich öffnen. Das hastige Nachgreifen gelang ihm nicht.
Arthâras fiel vor dem Bug ins Meer, und mit einem dumpfen Geräusch prallten die Planken gegen seine Stirn. Das Wasser färbte sich augenblicklich und doch nur für einen Lidschlag rot.
Den bin ich los. Irïanora erhob sich und eilte über das Deck. Den gestohlenen Dolch verbarg sie dabei in einer Kleiderfalte. »Wann kommen wir in Elhàtor an?«, rief sie zum Kommandanten, der wie seine Mannschaft ein einfaches Hemd und eine wadenlange Hose aus Leinen trug. Lediglich an seinem Abzeichen auf der rechten Brust sowie dem roten Kopftuch erkannte man seinen Rang. »Ich will mich ein wenig zurechtmachen und rechtzeitig damit beginnen.«
Die Mannschaft lachte.
»In einem Splitter, würde ich sagen«, antwortete er ihr.
Sie nickte. »Danke. Dann beginne ich wohl besser.« Irïanora lief die breite Treppe hinab und eilte in die kleine Kabine, die ihr zugeteilt worden war. Mein lieber Oheim, du durchschaust mich nicht so gut, wie du annimmst.
Bei ihrem Eintreten in das Kabuff suchte ihre Dienerin Zelája gerade verschiedene Kleider heraus und hängte sie auf den Bügeln nebeneinander an Haken, die aus der Decke ragten und für Lampen oder Hängematten gedacht waren. »Was würdest du lieber anziehen: Dunkelblau, Dunkelrot oder besser Dunkelgrün?«
Irïanora nahm den Dolch aus der Stofffalte, ging auf die Arglose zu und rammte ihr die lange, dünne Klinge von unten durch den Hals, presste Zelája mit dem eigenen Gewicht gegen die Kabinenwand. »Wie ich es dem soeben verstorbenen Arthâras bereits sagte: Es ist mir einerlei, wer von euch beiden die Nachricht an die Herrscherin hat«, flüsterte sie eisig. »Denn weder er noch du werdet Elhàtor erreichen.«
Sie riss den Dolch heraus und wich dem Blutstrahl aus, stach sogleich durch das Herz, um die Albin ganz sicher zu töten.
Zelája sackte zusammen.
Irïanora ließ sie los, und die Leiche rutschte am Holz hinunter vor ihre Füße. Von diesem Splitter an bin ich die Nachricht, mit dem kleinen Unterschied, dass ich mir nun ausdenken kann, was mein Oheim wohl hat ausrichten lassen wollen.
Sie atmete durch und blickte sich rasch um, dann durchsuchte sie die ausblutende Tote, ohne eine Botschaft an die Herrscherin zu finden.
Wie ich schon sagte: einerlei. Sie wuchtete Zelájas Leiche mitsamt Arthâras’ Dolch in eine Truhe und bedeckte sie mit dem dunkelgrünen Kleid. Der Stoff war dick und saugfähig genug, das Blut aufzunehmen. Dieses Modell habe ich nie leiden können.
Irïanora rückte die Truhe über den großen Fleck auf den Planken und wartete eine Weile, bis sie an Deck zurückkehrte und sich laut darüber beschwerte, dass ihre Dienerin fehle.
»Ist sie das?« Der Kommandant stand auf dem Oberdeck vor der geöffneten Truhe, in der das blutverschmierte Kleid und die Dienerin lagen.
Da beim Anlegen noch immer jede Spur von Arthâras und der Dienerin fehlte, hatte er
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