Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Schweitzer, könne sich schon mal vorab freuen, die Sache mit Heidenbrück hätte nicht besser laufen können. Und er habe auch nur deshalb angerufen, damit sich das Geburtstagskind nicht allzusehr sorge wegen der Sache. Na, du weißt schon, und tschüß. Wir sehen uns dann ja gleich, bis dann, also.
Sekundenlang starrte Herr Schweitzer den Hörer an. Wie kam Melibocus eigentlich darauf, daß er sich Sorgen machte? Die einzigen Sorgen, die er hatte, betrafen die Qualität des Büffets und ob auch alle der Einladung folgen würden.
„Schatz, wir müssen ...“, wurde er von seiner ungeduldig wartenden Freundin zur Eile gemahnt.
„Komme schon.“
„Wer war das denn? Du guckst so komisch.“
Da er mit dem Redakteur Stillschweigen vereinbart hatte und er außerdem Maria nicht damit behelligen wollte, sagte er: „Ach, bloß der Redakteur vom Sachsehäuser Käsblättche ...“
„Will der etwa einen Bericht über deine Feier bringen? Ich finde, ihr übertreibt ein bißchen.“
„Logo, schließlich gibt’s heute ein großes Stelldichein der Sachsenhäuser Honoratioren. Kein Geringerer als Simon Schweitzer himself gibt sich nämlich die Ehre.“
„Oha, dann bin ich ja wohl die First Lady. Meine Durchlaucht, ich fühle mich geschmeichelt.“
„Darf ich bitten.“ Mit nobler Geste öffnete Herr Schweitzer die Tür des wartenden Taxis.
Am Büffet war nichts auszusetzen. Gabi und Helmut hatten sich große Mühe gegeben. Nebst vielen Frankfurter Spezialitäten hatte es auch eine riesige Gulaschkanone. Weil er eine Grundlage für später brauchte, betätigte sich Herr Schweitzer als Vorkoster, was ihn zu der Überlegung führte, daß dies, falls es mit dem Geld mal knapp werden sollte, eine durchaus gelungene Berufsalternative für ihn sei. Das Gulasch war würzig, und auch die Frankfurter Speisen erfüllten seine strengen Kriterien. Mit dem Alkohol würde er sich heute Zeit lassen, um nicht schon vorzeitig aus dem Rennen geworfen zu werden. Er hatte sich fest vorgenommen, seine Party bis zum Ende und vor allem ohne Filmrisse zu genießen.
Nach und nach trudelte die Gästeschar ein, und der Jubilar packte Geschenke aus. Mit „oh, ist das aber hübsch“ und „das habe ich mir schon immer gewünscht“ wurden selbst die überflüssigsten Gaben wie Salz- und Pfefferstreuer, ein roter Seidenschal und ein Buch von Ingrid Noll bedacht. Doch da mußte er durch. Und wozu hatte er einen Mülleimer? Zwar redete Herr Schweitzer selten mit gespaltener Zunge, doch andererseits wollte er auch niemanden vor den Kopf stoßen. Sicherlich hatte er selbst ja auch schon bei ähnlichen Anlässen garantiert unpassende Geschenke verteilt, ohne dies beabsichtigt zu haben. Außerdem konnte er nicht von jedem erwarten, punktgenau seinen Geschmack zu treffen. Heikel wurde es allerdings, als er vom Frühzecher-Wirt René das ominöse Herr-Schweitzer-beißt-in-ein-Holz-brettchen-Poster hübsch und teuer im Antik-Rahmen überreicht bekam, was einen harten Kampf zwischen Leichenbittermiene und Gute-Mienezum-bösen-Spiel-machen auslöste. Er entschied sich für: „Oh geil, das häng ich mir über mein Bett.“
Und einmal wurde es sogar esoterisch. Seine Mitbewohnerin, die, wie einst beabsichtigt, auf die Straße zu setzen, er nicht über sich brachte, hatte ihm einen mit blauem Schleifchen versehenen, hühnereigroßen Stein mitgebracht. „Den mußt du auf die Fensterbank legen, damit er das Mondlicht einfängt. Nur so ist seine kosmische Kraft gewährleistet.“ Da aber Laura Roth sowieso nicht von dieser Welt war, fand Herr Schweitzer, ging das mit dem Kosmos auch in Ordnung. Man konnte ihr einfach keine böse Absicht unterstellen. Höflich wie er nun einmal war, fragte Herr Schweitzer auch nicht nach, wie sich die kosmische Kraft des Steins, der wie ein Stein in der Regel aussieht aussah, bei ihm bemerkbar machen würde. Er rechnete ohnehin nicht damit, daß das eingefangene Mondlicht ihn zu einem, sagen wir mal derwischhaften Fruchtbarkeitstanz oder ähnlichen Darbietungen verleitete. „Klar, auf die Fensterbank, logo, mach ich. Das war aber eine gute Idee“, meisterte Herr Schweitzer auch diese Hürde souverän.
Alles in allem aber waren es sehr nette und nützliche Geschenke, die er dargereicht bekam. Allenthalben wurde das Büffet in den höchsten Tönen gelobt, und die Tresenmannschaft hatte alle Hände voll zu tun, den Getränkenachschub zu sichern. Überall hatten sich Grüppchen gebildet, und seine Gäste unterhielten sich
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