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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Fingerabdrücke abnehmen?»
    «Heute nicht, Lewis. Sie wissen ja — ich bin zum Essen eingeladen.»
    «Gut, dann sehen wir uns dort. Gegen sechs?»
    «Was haben Sie denn bis dahin noch vor?»
    «Allerlei Kleinkram. Unter anderem will ich mich weiter um die Schlüssel kümmern. Hab in zwanzig Minuten einen Termin im Pitt Rivers.»
    Morse zündete sich die nächste Zigarette an, lehnte sich in dem schwarzen Ledersessel zurück und sah sich um. An der mit Emulsionsfarbe gestrichenen Wand hatte sich eine dünne Schicht Nikotin niedergeschlagen; besonders die Ecken waren schon ziemlich dunkel. Reif für die Renovierung...
    Plötzlich spürte er ein leichtes Kribbeln, als habe er eben etwas sehr Wichtiges gelesen, gedacht oder gesehen. Aber sosehr er sich auch bemühte — der Gedanke wollte sich nicht greifen, nicht konkretisieren lassen, und schließlich gab Morse entmutigt auf.

63

    In den meisten Fällen bleiben Fingerabdrücke am Tatort zurück. Selbst der gewiefteste Täter vergißt mal, alles säuberlich abzuwischen.
    (Murder Ink, Belastende Beweise)

    «Stört es Sie, wenn wir heute in der Küche essen, Inspector?» fragte Mrs. Lewis in ihrem singenden walisischen Tonfall.
    «Keine Sorge, das stört mich überhaupt nicht.»
    «Wir haben nämlich die Maler. Setzen Sie sich solange ins Wohnzimmer, ich hab Bier und ein Glas hingestellt.»
    Morse warf im Vorübergehen einen Blick ins Eßzimmer. Die Maler hatten für heute Feierabend gemacht und waren offenbar ohnehin fast fertig, denn nur um das große Fenster herum lagen noch Tücher über dem lachsfarbenen Teppich, und die meisten Möbel waren schon wieder an Ort und Stelle. Nur noch ein Bücherregal, an dem eine hölzerne Trittleiter lehnte, stand mitten im Zimmer. Ein erdbeerrotes Rechteck links vom Fenster verriet, wo es eigentlich hingehörte.
    «Gefällt Ihnen die Farbe?» fragte Mrs. Lewis hinter ihm.
    «Sehr gut gemacht», sagte Morse, der von Anstreichen und Tapezieren keine Ahnung hatte.
    Mrs. Lewis hatte einen scharfen Blick. «Sie haben sich gerade den Teppich angesehen, nicht? Wir haben ihn erst fünf Jahre — und im Geschäft haben sie uns erzählt, er sei absolut farbecht.»
    «Alles verblaßt wohl mal», sagte Morse, eine (wie er in diesem Moment fand) wenig tiefsinnige Bemerkung.
    «Das macht die Sonne. Wo die hinkommt, verfärbt sich alles. Der Stoff, mit dem die Schrankfächer und Schubladen ausgelegt sind, ändert sich überhaupt nicht.»
    Morse ging ins Wohnzimmer, machte eine Dose Cask Flow Beamish auf, lehnte sich zufrieden zurück und sah sich die Sechsuhrnachrichten an, als Lewis hereinkam.
    «Sie sehen sehr zufrieden aus», stellte Morse fest.
    «Ich hab wieder zwei Schlüssel identifiziert. Der zweite Sicherheitsschlüssel paßt für den Personaleingang im Pitt Rivers an der South Parks Road, und der kleine Xio ist auch aus dem Pitt Rivers, er gehört zu einem Wandsafe, in dem die Schlüssel für die Schaukästen hängen.»
    «Na bestens», brummte Morse zerstreut und konzentrierte sich wieder auf die Nachrichten.
    Wenig später meldete sich Mrs. Lewis mit einem nicht sehr damenhaften Pfiff: «Essen fassen, Jungs!»
    Von den kulinarischen Künsten beherrschte Morse nur das Eierkochen, eine Fertigkeit, die, wie er gern bemerkte, durchaus nicht so weit verbreitet war, wie man annehmen sollte. Wenn Morse auch ein (nach seiner Einschätzung) vorzüglicher Eier koch war, so mußte er zugeben, daß Mrs. Lewis (omnia consensus) es im Eier braten zu höchster Meisterschaft gebracht hatte. Der Anblick der beiden milchig-gelbweißen Spiegeleier auf jedem Teller neben dem Berg goldgelber Pommes frites war ein ästhetischer Genuß.
    Während Morse sich mit Tomatenketchup bediente, griff Lewis nach Messer und Gabel. «Wenn Sie jemals eine Leiche finden, Sir, neben der ein leerer Teller Setzei und Pommes steht...»
    «Ein Teller, auf dem mal Setzei und Pommes waren, meinen Sie wohl, Lewis...»
    «Wenn Sie die Fingerabdrücke auf dem Messer nicht in unserem Archiv finden, sind’s wahrscheinlich meine...»
    Morse nickte, griff ebenfalls nach seinem Werkzeug, stellte zufrieden fest, daß der Teller heiß war — und erstarrte wie das Bild auf einem Video, wenn jemand die Pausetaste gedrückt hat.
    «Ist was, Sir?»
    Morse antwortete nicht.
    «Ist Ihnen nicht gut, Sir?» fragte Lewis besorgt.
    «Verdammt noch eins, Lewis! Sie haben’s mal wieder geschafft!»
    Lewis legte — ein höchst seltenes Ereignis — mitten im Essen Messer und Gabel aus der

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