Die Leiche am Fluß
stiegen.
Lewis und die Kollegen von der Spurensicherung hatten sie in Empfang genommen, in ein Büro am Busbahnhof gebracht und ihnen — nur zur Klärung, wie es hieß — offiziell die Fingerabdrücke abgenommen, was sie beide ohne erkennbare Überraschung oder spürbare Beunruhigung hatten geschehen lassen.
Nachdem der Kollege von der Spurensicherung nach St. Aldate’s zurückgefahren war, wo er direkten Zugang zum Fahndungscomputer hatte, kehrte Lewis ins Präsidium und zu Morse zurück, der mißgelaunt in Akten wühlte.
Der Anblick seines Sergeant aber schien ihn heiterer zu stimmen.
«Keine Probleme?»
«Keine Probleme, Sir.»
«Sie wetten doch ganz gern, Lewis.»
«Nur gelegentlich. Beim Derby, beim Grand National...»
«Dann wetten Sie doch heute mal mit mir.»
«Um 50 Pence?»
«Wollen wir nicht mal ganz groß einsteigen und ein Pfund setzen?»
«Na gut. Allerdings muß ich zur Zeit ein bißchen aufs Geld schauen. Wir haben die Maler.»
«Ich denke, das machen Sie alles selbst?» fragte Morse erstaunt.
«Das war einmal, Sir. Früher, als ich noch mehr Zeit und Kraft für so was hatte. Ehe ich bei Ihnen angefangen habe...»
«Na dann los. Was würden Sie sagen, wessen Fingerabdrücke es sind — die von Brenda Brooks oder die von Julia Stevens?»
Lewis runzelte die Stirn. «Daß es seine Frau war, kann ich mir nicht vorstellen. Schon von der Kraft her...»
«Meinen Sie?» Morse schien die Sache fast Spaß zu machen.
«Mrs. Stevens ist körperlich viel stärker, aber auch willensfester. Und intelligenter.»
«Und sie hat nichts zu verlieren.» Morse war wieder ernst geworden.
«Auch das...»
«Sie setzen also auf Mrs. Stevens?»
Lewis zögerte. «In Krimis kann man sich nur auf zweierlei wirklich verlassen: daß der Täter weder der Butler ist noch derjenige, auf den man selber tippen würde. Also bin ich für Mrs. Brooks.»
«Und mir lassen Sie Mrs. Stevens.»
«Für die hätten Sie sich sowieso entschieden, Sir.»
«Glauben Sie?»
Lewis, der nicht recht wußte, was er glauben sollte, wechselte das Thema.
«Haben Sie mittags was gegessen?»
«Nicht mal was getrunken», sagte Morse mit Leidensmiene und zündete sich eine Zigarette an.
«Haben Sie keinen Hunger?»
«Ein bißchen.»
«Dann kommen Sie doch heute abend zu uns, meine Frau macht Ihnen gern eine Kleinigkeit.»
Morse überlegte. «Was gibt’s denn am Freitag bei Ihnen normalerweise? Fisch?»
«Nein. Setzei und Pommes.»
«Ich dachte, das gibt’s bei Ihnen mittwochs.»
Lewis nickte. «Auch. Und montags.»
«Gemacht», entschied Morse. «Sagen sie ihr, sie soll ein paar Kartoffeln mehr schälen.»
«Nur dürfen Sie sich nicht daran stören, wie’s bei uns aussieht, Sir. Sie wissen ja — wenn man die Handwerker im Haus hat...»
«Hauptsache, Sie haben ein anständiges Bier im Haus.»
Lewis nahm den Anruf von der Spurensicherung entgegen. Keine Übereinstimmungen. Weder Brenda Brooks noch Julia Stevens oder Eleanor Smith hatte ihre Spuren auf dem rhodesischen Messer hinterlassen. Ja, und noch etwas. Bekanntlich ist die Klassifizierung und Identifizierung von Fingerabdrücken eine sehr knifflige Angelegenheit, und sie waren ihrer Sache noch nicht absolut sicher, aber es sah so aus, als gehörten die Fingerabdrücke auf dem Messergriff zu keinem der etwa zwei Millionen Straftäter, die Scotland Yard in den Akten hatte.
«Im Klartext, Kollege: Derjenige, der den Burschen kaltgemacht hat, ist nicht vorbestraft.»
«Oder diejenige», ergänzte Lewis. Aber erst, nachdem er aufgelegt hatte.
Morse nahm die Nachricht kommentarlos zur Kenntnis.
Der Bericht, den Lewis über den Besuch bei Matthew Rodways Mutter geschrieben hatte, lag ganz oben auf dem Aktenstapel des Chief Inspector.
«Hoffentlich hab ich nicht zu viele Rechtschreibfehler gemacht, Sir», brach Lewis nach längerer Zeit das Schweigen.
«Wie? Nein, nein. Sie bessern sich. Langsam, aber sicher.»
«Ich glaube, ihr — Mrs. Rodway, meine ich — ist es egal, wer Brooks umgebracht hat. Hauptsache, er ist tot.»
Morse murmelte etwas Unverständliches. Der Besuch bei Mrs. Rodway schien eine kleine Ewigkeit her zu sein. Als er aber den Bericht überflog, stand plötzlich alles wieder ganz deutlich vor ihm: das Gespräch, das Zimmer, die schlanke, noch immer verbitterte Mrs. Rodway.
«Ich phantasiere jetzt mal, Sir... Wäre es denkbar, daß sie Brooks umgebracht hat?»
«Ein Motiv hatte sie jedenfalls.»
«Sollen wir noch mal hinfahren und die
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