Die Leichenstadt
Hütern der Leichenstadt und der Besatzung. Normalerweise fällt ein Skelett um, wenn es auf den eigenen Knochenbeinen stehen soll.
Das des Ersten jedoch nicht. Es blieb stehen und nahm allmählich eine andere Farbe an.
Meine Augen wurden groß, als ich das sah. Dieses türkisfarbene Leuchten hatte ich schon einmal am Todessee gesehen. Damals kämpften Suko und ich gegen das magische Skelett, das den Schlüssel zur Leichenstadt besaß. Es war ein Kristallstab. Ich mußte auch an das Mädchen denken, das Karen White geheißen hatte und ebenfalls zu einem Skelett geworden war.
Die Rache der Leichenstadt war fürchterlich. Mir wurde angst und bange, wenn ich an die schreckliche Magie dachte, die hier überall versteckt lauerte.
Noch befand ich mich in einer guten Position: Ich würde den Teufel tun und das Boot verlassen, nein, ich hatte Zeit, um mir meine Reaktionen vorher genau zu überlegen.
Die anderen Männer hatten die Vernichtung oder Umwandlung ihres Ersten Offiziers miterlebt. Wer konnte das Grauen beschreiben, das sich auf ihre Gesichter gelegt hatte, und als sich das Skelett in Bewegung setzte, um zu den vier Dämonen zu gehen, da gab es nicht wenige, die ihre Hände vors Gesicht hielten.
Ich suchte mir den Kapitän hervor und beobachtete ihn. Dirk Neeler war zu einem alten Mann geworden. Grau und eingefallen präsentierte sich sein Gesicht. Mir kam es vor, als hätte die Angst tiefe Spuren in seine Haut gegraben.
Ich wußte nicht, was die vier Dämonen mit den Menschen vorhatten, hoffte jedoch, daß es ihnen nicht so erging wie dem Ersten Offizier. Sie wurden abgeführt. Fast wie auf dem Exerzierplatz machten sie kehrt, und man wies ihnen die Richtung an.
Sie gingen dorthin, wo sich auch die großen Steine befanden. Diese viereckigen Quader, die als gewaltige Klötze oder Würfel ohne Zahlen vom Boden abstachen.
Ich wartete. Der Monitor zeigte mir die Bewegungen der Menschenschlange genau an.
Auch als sie zwischen den Steinen verschwunden waren, rührte ich mich nicht. Die Bewohner aus Darkwater blieben ebenfalls nicht in der Nähe des Bootes. Sie verschwanden auch.
Ab jetzt hieß es warten.
Zeit war für mich unwichtig geworden. Ich wußte überhaupt nicht, ob sie in dieser Dimension existierte, denn wir hatten ja, ohne es zu bemerken, eine Dimensionsgrenze überschritten. Ob ich in der Zukunft, Gegenwart oder Vergangenheit gelandet war, das spielte keine Rolle mehr. Für mich zählte nur die Rettung der Menschen, und damit war auch die Suche nach einer Rückkehr aus der Leichenstadt verbunden. Ich kannte das U-Boot inzwischen. Da mich der Durst übermannte, verließ ich den Kommandoraum und betrat die Kombüse. Schon beim ersten Blick wurde ich an das Märchen Dornröschen erinnert. Alles stand noch so, wie der Koch es verlassen hatte. Nur die schlafenden Menschen fehlten.
Auf dem Herd sah ich einen Topf mit geschälten Kartoffeln, das Fleisch lag ebenfalls bereit und auch das Gemüse. Die Möhren sollten geschält werden.
Saft fand ich im Kühlschrank. Ich trank ihn aus der Flasche, stellte sie wieder weg und drehte mich um, weil ich die Kombüse verlassen wollte.
Gehört hatte ich zuvor nichts, doch nun fiel mir das Schaben auf. Mein Blick traf den Boden, und ich hatte das Gefühl, in einem schlechten Film zu sein, denn das, was dort durch die schmale Tür krabbelte, waren zahlreiche weißgelbe Spinnen…
***
Schwester Bonifatia bekam vor Schreck große Augen und zuckte auch zusammen, als Suko die Tür zuhämmerte. »Was ist los? Weshalb gehen Sie nicht in das Zimmer?«
Der Inspektor verkniff sich eine schnelle Antwort. Er legte seine Stirn in Falten, als er die Frau anschaute. »Wissen Sie, ich habe es mir anders überlegt.«
Die Schwester hatte blaue Augen. Ihr Gesicht schimmerte leicht rosig. Der Blick war bisher freundlich gewesen, jetzt allerdings stahl sich Ärger hinein. Ein wenig scharf formulierte sie die Erwiderung. »Wissen Sie, bisher hatte ich immer Respekt vor der Polizei. Mochten die anderen auch darüber schreiben, was sie wollten. Nun habe ich selbst erlebt, daß ich von einem Polizisten, dazu noch Scotland Yard-Beamten, angelogen werde. Das finde ich ungeheuerlich. Ist etwas mit dem Kind? Wenn ja, sagen sie es!«
»Haben Sie hier im Heim schon einmal Spinnen gesehen?« Suko ging nicht auf die Frage ein.
»Natürlich. Wer hat das nicht? Im Sommer und vor allen Dingen im Herbst weben die Spinnen sehr oft ihre feinen Netze. Ich bewundere ihre Technik immer…«
»So
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