Die Leichenstadt
ich sonst den Vorschlag mit dem Lasso oder dem Seil gemacht?«
»Sicherlich nicht. Wobei ich nur hoffe, daß die Schwester es schafft.«
»Und wenn nicht?«
»Müssen wir es bei den flammenden Steinen versuchen, was uns wiederum Zeit kostet. Wobei wir nicht einmal wissen, ob dort eine Beschwörung Erfolg bringen wird.«
Da stimmte Kara zu.
So warteten sie und beobachteten den Dimensionstunnel. Unheimlich sah er aus. An seinen Rändern wallten die grünlichen Nebelschwaden. Sie erinnerten an lange Geisterfinger, die durch den Tunnel krochen, hin und her wehten, Wolken bildeten, auseinandergerissen wurden, um den Weg wieder von vorn zu beginnen.
Es war Bewegung innerhalb des Tunnels. Die Mitte ließen die Nebelschwaden frei. Aus diesem Grunde besaßen Kara und Myxin den ausgezeichneten Blick.
Leider konnten sie nicht bis zum Ende dieses Dimensionsschlauches sehen. Dort versperrte ihnen eine unruhig wabernde grüne Nebelwand die Sicht.
»Das ist das Reich des Kalifato«, flüsterte Myxin und nickte dabei. »Das grüne Licht ist sein Schatten. Er wirft ihn verdammt weit hinaus.«
»Sollten wir Suko tatsächlich retten können und John Sinclair ebenfalls, muß der Tunnel geschlossen werden. Es darf keine Verbindung von der Leichenstadt auf die Erde geben. Die Gefahr würde ungeheuer und kaum zu überblicken sein.«
Durch Nicken gab Myxin der Schönen aus dem Totenreich recht. Dann hörten sie Schritte. Sie stoppten vor dem Raum, und die Tür wurde aufgerissen.
Schwester Bonifatia kam zurück. Ihr Gesicht war gerötet. Sie mußte tief Luft holen, aber sie hatte etwas. Schwungvoll warf sie das Seil in den Raum.
»Reicht es?« fragte sie.
Myxin hob das Seil auf und fächerte es auseinander. Kara prüfte es mit. Sie nickten gemeinsam.
»Ja, das müßte gehen«, sagte der kleine Magier. Dann schaute er hoch.
»Und die Kreuze?«
»Die besorge ich noch«, erwiderte die Schwester mit fester Stimme. Dann verschwand sie.
»Auf diese Frau können wir uns verlassen«, meinte Kara.
»Ja, sie wird uns eine große Hilfe sein. Komm, faß mal mit an! Wir wollen alles vorbereiten.«
Myxin und Kara zogen das Seil so auseinander, daß es wie eine Riesenschlange wirkte, die sich gestreckt hatte. Anschließend konnten sie nur noch warten.
Für die Schwester war es sicherlich nicht einfach gewesen, das Seil aufzutreiben, aber noch schwerer würde es sein, die Kreuze ungesehen herbeizuschaffen. Darauf kam es an. Niemand sollte etwas merken, und das Heim war mit Kindern gut bestückt.
Myxin und Kara lauschten.
Vor Minuten noch war es ziemlich still gewesen, nun hörten sie gedämpft klingende Kinderstimmen. Die Mittagsruhe war vorbei. Die Kinder, die lange gesessen hatten, mußten sich austoben. Sie rannten durch die Gänge und die Treppenflure. Die Echos ihrer Schritte hallten bis in den Keller.
Aber auch andere Schritte erklangen. Danach ein dumpfes Klopfen an der Tür. Myxin war mit ein paar schnellen Schritten da und öffnete. Die Schwester schaute ihn an. Sie atmete heftig, ihr Gesicht war noch stärker gerötet. Mit beiden Händen hielt sie die großen Holzkreuze umklammert. Damit diese ihr nicht aus den Fingern rutschten, hatte sie die Kreuze fest gegen sich gepreßt.
»Es sind nur fünf…«
»Macht nichts.« Myxin packte zu und nahm ihr einige Kreuze ab. Drei trug er zu Kara.
Es hatte mal eine Zeit gegeben, wo Myxin kein Kreuz anfassen konnte. Das jedoch war vorbei. Er stand nicht mehr auf der Seite der schwarzmagischen Kräfte.
Schwester Bonifatia blieb aufatmend stehen, schaute jedoch ängstlich in die Runde. »Werden die Kreuze reichen?« erkundigte sie sich.
»Sie müssen«, erwiderte Kara.
Die Frau nickte. Scheu schaute sie auf den grünlich glosenden Eingang. Auch sie sah den zwischen den Dimensionen und Zeiten treibenden Chinesen. Seine Gestalt wirkte nicht größer als die eines Zwergs. Kara machte sich bereits an die Arbeit. Sie knotete das erste Kreuz an dem Seil fest. Dabei drehte sie einen Doppelknoten, damit das Kreuz auch genügend Halt hatte.
Myxin nahm sich inzwischen das andere Ende vor. Auch hier befestigte er ein Kreuz.
Beide arbeiteten geschickt und schnell. Hin und wieder peilten sie auf die Öffnung. Dort hatte sich noch nichts verändert. Alles blieb wie zuvor. Dann waren die fünf Kreuze befestigt.
Die beiden schauten sich an. »Alles klar?« fragte der kleine Magier heiser.
»Ja, wir können.«
»Und Sie wollen das Seil dort wirklich hineinwerfen?« erkundigte sich die
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