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Die Leichenstadt

Die Leichenstadt

Titel: Die Leichenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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preßte sich eng an ihre Mutter, als würde sie dort den nötigen Schutz finden. Ich ließ mir hier die Butter nicht vom Brot nehmen. Noch befand ich mich im Vorteil, den wollte ich auch ausnutzen. Wenn erst einmal die vier Hüter der Leichenstadt eingriffen, war es zu spät. Außerdem brauchte ich Jennifer nicht mehr zu den Menschen zu zählen. Sie sah zwar aus wie ein Mensch, doch die Spinne, die aus ihrem Mund gekrochen war, hatte mir genug bewiesen.
    Die Kleine konnte man als eine Mutation bezeichnen. Ich war sehr schnell, kündigte meine Reaktionen auch nicht an, und riß Jennifer an mich.
    Die Frau schrie wie eine Sirene. Doreen Delano warnte mich durch einen Zischlaut, und Mr. Moore griff mich an.
    Mit der linken Hand hielt ich Jennifer, mit der rechten aber stoppte ich ihn.
    Und ich hatte das Kreuz.
    Das Gurgeln aus seinem Mund verstummte abrupt, als er mit dem geweihten Kruzifix Bekanntschaft machte. Ich hatte es ihm genau ins Gesicht gestoßen, sah sekundenlang dort den Abdruck und erkannte dann, wie das gesamte Gesicht in eine krabbelnde und zuckende Bewegung geriet.
    Spinnen!
    Er löste sich auf. Zuerst allerdings veränderte er sich noch in ein Spinnenmonstrum, sein gesamter Körper bestand nur aus einem Gewimmel von blassen, vierbeinigen Spinnen, bis sie eine andere Farbe annahmen, schwarz wurden und auch Rauch aus ihnen stieg. Sie verbrannten innerlich zu Staub, der schließlich zu Boden rieselte und dort als Schicht liegenblieb.
    Der Rest eines Menschen, der einmal der furchtbaren Leichenstadt gehört hatte.
    Auch ich schüttelte mich. Emotionen konnte ich mir nicht leisten. Mit harter Stimme rief ich: »Wer es als nächster versucht, dem wird es ebenso ergehen!«
    Diese Warnung reichte. Plötzlich hielten sich die anderen beiden zurück. Mrs. Moore hatte ihr Gesicht verzogen, als würde sie gleich anfangen zu weinen, während mich Doreen Delano haßerfüllt anstarrte. Jennifer bewegte sich nicht. Starr hing sie in meinem Griff. Ihre Augen waren weit aufgerissen, sie ahnte, daß ich auch sie vernichten konnte, und ich würde es auch tun.
    »Ich will von dir wissen, wie alles passiert ist«, sagte ich. »Du erzählst es mir ganz genau, verstanden?«
    »Ja.«
    »Dann los!« Das Kreuz hielt ich so, daß sie es anstarren konnte. Es befand sich nur eine Handbreit von ihrem Gesicht entfernt. Wie auch ich mußte sie die lautlosen Explosionen sehen, die sich an den Rändern des Kruzifixes abspielten.
    Es schüchterte sie stark ein, denn Jennifer redete plötzlich. Ich erfuhr, wie sie zu ihren Eltern Kontakt aufgenommen hatte, erst in Träumen, dann durch gesteuerte Gedankenkraft, und bei der letzten hatte sie es geschafft, den Kontakt so ausreifen zu lassen, daß zwischen den Dimensionen eine Verbindung entstand.
    So war der seltsame Tunnel entstanden, der das Grab des Kalifato und die Leichenstadt miteinander verband.
    Und in diesem Tunnel hatte ich Suko gesehen!
    Er war im Augenblick mein brennendstes Problem. Und gleichzeitig meine Archillesferse. Solange der Tunnel Bestand hatte, war Suko einigermaßen in Sicherheit. Aber das gelang nur, weil Jennifer Moore die Kraft dazu aufgebracht hatte. Wenn sie nicht mehr mitspielte oder ihr bewußt wurde, welch eine Macht sie in den Händen hielt, dann sah es für mich fast so schlecht aus wie für Suko.
    Dieser Gedanke war mir erst jetzt gekommen, und mit wurde klar, daß ich das Mädchen überhaupt nicht töten konnte. Im Gegenteil, ich mußte es beschützen.
    Erst einmal wollte ich nach meinem Freund und Partner schauen. Jennifer schob ich bis dicht an den Grabrand. Wir blieben stehen, ich senkte den Kopf und schaute in den langen grünen Tunnel. Unendlich klein sah ich Sukos Gestalt. Ich entdeckte auch in weiter Ferne das Ende des Tunnels. Er schien mir mit einer Röhre vergleichbar zu sein, die eine kaum meßbare Länge besaß, aber dem Ende entgegen immer schmaler wurde.
    Hatte ich nicht Myxin und Kara dort gesehen? Ja, aber nun entdeckte ich sie nicht mehr. Die beiden waren verschwunden. Gern hätte ich Zusammenhänge gewußt, doch die konnten sie mir nicht geben, Jennifer Moore sicherlich auch nicht - es blieb nur Suko.
    Ich brüllte seinen Namen.
    In diesen langen, unmeßbaren Tunnel hinein schallte meine Stimme. Sie wurde weitergetragen, verstärkte sich sogar noch, als hätte ich in ein Megaphon gerufen, steigerte sich zu einem donnernden Hall, bevor sie in einem bellenden und dröhnenden Gelächter endete, das ich allerdings nicht ausgestoßen

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