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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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Finsternis. In der Fensterscheibe spiegelte sich ihre brennende
     Zigarette wider. Einen Augenblick später ertönten Schritte und Stimmen auf dem Flur.
    »Geh du zur Kontrolle nach draußen!« hörte Lena die Stimme des Banditen Wadik. »Ich gucke mir die Sicherungen an.«
    Die Antwort darauf konnte Lena nicht mehr verstehen. Die Stimmen und die Schritte entfernten sich. Es wurde wieder still.
     Lenas Herz klopfte wie verrückt. Ohne selber zu wissen, wozu, begann sie sich im Dunkeln rasch anzukleiden. Sie tastete nach
     ihren Jeans und dem frischen T-Shirt. Als sie den Reißverschluß zugezogen hatte, knipste sie das Feuerzeug an und suchte in
     seinem Licht nach ihren Stiefeln. Sofort dachte sie: Wozu?
    Im Haus herrschte Stille. Die Stiefel lagen unter der Kommode. Sie hatte gerade einen Stiefel angezogen, da hörte sie wieder
     die Stimmen:
    »Vielleicht sind die Leitungen kaputt? Verdammt, wie soll denn man ohne Licht was sehen!«
    »Wenn der Chef kommt, wird dir schon ein Licht aufgehen!«
    Im Schlüsselloch drehte sich ein Schlüssel. Lena zog denStiefel schnell wieder aus. Die Tür öffnete sich. Das grelle Licht einer Taschenlampe traf ihre Augen.
    »Schläfst du?« fragte man sie friedlich.
    »Beinahe«, sagte Lena und blinzelte im hellen Schein der Lampe, »was ist denn los?«
    Aber die Tür wurde schon wieder zugeschlagen.
    »Hast du nach den Hunden gesehen?« hörte sie.
    »Die pennen. Alle pennen.« Ein herzhaftes Gähnen. »Es ist zwei Uhr nachts. Wir kümmern uns morgen früh um das Licht.«
    Die Schritte und Stimmen verstummten, irgendwo schlug eine Tür.
    Lena fand keine Ruhe. Der Glatzkopf ist also weggefahren. Nur die Wache ist hiergeblieben. Wie viele das wohl sind? Für mich
     reicht auch ein einziger … Jetzt gehen sie wieder schlafen.
    Sie zog trotzdem die Stiefel an, schnürte sie zu und streifte ihren Pullover über. Die Augen hatten sich an die Dunkelheit
     gewöhnt, außerdem schien draußen hell der Mond. Lena zündete sich eine neue Zigarette an. Sie begriff nicht, warum sie so
     nervös war.
    Was ist los, will ich etwa fliehen? Will ich ohne Jacke, in dünnen Stiefeln in die Taiga? Ich werde mich bloß verirren und
     vor Kälte und Hunger sterben. Die Wölfe werden mich fressen. Und wie soll ich hier überhaupt rauskommen? Wenn ich das Fenster
     einschlage, hören sie es. Öffnen geht nicht, es ist fest verschlossen. Ich hab’s ja schon probiert. Sie merkte auf einmal,
     daß sie laut flüsterte, schnell und nervös.
    Aber im selben Moment verstummte sie. Vor der Tür raschelte es, leise klickte das Schloß. Lena schlich auf Zehenspitzen zur
     Tür und leuchtete mit dem Feuerzeug. Der Türgriff drehte sich langsam. Sie wich zurück und preßte sich an die Wand. Die Tür
     öffnete sich einen Spalt und schloß sich sofort wieder. Eine kleine Gestalt huschte ins Zimmer – siesah die Silhouette eines Mannes. Er bewegte sich leicht und geräuschlos wie eine Katze. Für eine Sekunde leuchtete eine Taschenlampe
     auf, richtete sich auf Lena und erlosch sogleich wieder.
    Sie hatte nichts zu verlieren. Sie knipste das Feuerzeug an. In dem flackernden, unsicheren Schein erblickte sie muskulöse
     Schultern, über denen sich eine dunkle Lederjacke spannte, kurzgeschorene blonde Haare, tiefliegende, fast weiße Augen unter
     brauenlosen Stirnknochen, tiefe, grobe Narben auf den Wangen, die Spuren einer schlecht verheilten Pubertätsakne.
    »Wassja Slepak«, flüsterte sie und wich zum Fenster zurück. »Wassja, bist du gekommen, um mich zu töten?«

Kapitel 38
    Regina Valentinowna liebte es, Geld zu verdienen und Geld auszugeben. Aber sie haßte es, Geld zu zählen. Früher, als Studentin,
     hatte sie jede Kopeke gezählt. Jetzt aber rief alles, was mit Bankgeschäften und Buchhaltung zu tun hatte, bei ihr nur krampfhaftes
     Gähnen hervor. Selbstverständlich verfügte der Konzern über einen ganzen Stab von Buchhaltern, Juristen und Managern. Um ihre
     Qualifikation brauchte man sich keine Sorgen zu machen. Ihre Zuverlässigkeit allerdings stand auf einem anderen Blatt.
    Auch Wenjamin Borissowitsch wußte, wie man Geld verdient, im Unterschied zu Regina aber zählte er es auch gern. Der gesamte
     gewaltige Finanzapparat des Konzerns befand sich unter seiner unermüdlichen und instinktsicheren Kontrolle. Er vertraute seinen
     Mitarbeitern, kontrollierte sie aber trotzdem ständig. Man konnte ihn mitten in der Nacht wecken, und er hätte, wie ein Musterschüler
     das Einmaleins, ohne Stocken

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