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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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konnte jederzeit ungehindert wegfahren, um rasch in einer der Seitenstraßen unterzutauchen.
    Die Poljanskaja wischte mit dem Handschuh die feuchte Schaukel ab und setzte das Kind hinein. Regina stieg ruhig aus, ging
     zu der Bank, neben der der Kinderwagen stand, und ließ rasch ihr kleines Päckchen in eine der Tüten gleiten. Dann kehrte sie
     ebenso ruhig und ohne Hast zu ihrem Moskwitsch zurück, setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an.
    Die Poljanskaja war nur mit ihrer Tochter beschäftigt und sah kein einziges Mal zum Kinderwagen hinüber. Zwei alte Frauen,
     die auf einem Bänkchen vor dem Hauseingang saßen, waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft und konnten ebenfalls nichts bemerkt
     haben.
    Die winzige Fernbedienung fest in der Hand, wartete Regina geduldig darauf, daß die Poljanskaja zum Kinderwagen ging.
    ***
    »Noch nicht aufhören, Mama«, bettelte Lisa, »ein klein bißchen noch.«
    »Laß uns nach Hause gehen, mein Krümelchen, wir werden ja beide ganz naß bei diesem ekligen Wetter.« Lena wollte Lisa von
     der Schaukel heben, aber die Kleine protestierte heftig:
    »Das Wetter ist gut! Ich will noch ein bißchen schaukeln, bitte, bitte!«
    Auf dem Spielplatz gab es verschiedene Schaukeln, und Lisa hatte beschlossen, alle durchzuprobieren. Lena schickte sich in
     ihr Los, sah aber immer wieder auf die Uhr.
    Wenn Lisa sich jetzt richtig austobt, schläft sie nach dem Mittagessen schneller ein und wacht nicht so bald auf, dannkann ich zumindest noch ein paar Dinge in Ruhe erledigen, dachte Lena, während sie die Schaukel anstieß.
    »Fertig, Mama, jetzt können wir nach Hause gehen. Ich habe Hunger«, sagte Lisa endlich.
    Lena nahm sie auf den Arm. Der Kinderwagen stand etwa zwanzig Meter entfernt. Vorsichtig auftretend, um auf dem überfrorenen
     Boden nicht auszurutschen, machte Lena einige Schritte.
    Plötzlich quietschte es laut. Ein nagelneuer schwarzer Jeep mit grellbunten Zickzackstreifen und Sternen auf den Türen bremste
     abrupt. Der vierschrötige Mafioso hinterm Steuer, ganz in Leder gekleidet, fluchte wild. Da, wo er immer seinen Wagen abstellte,
     wenn er zweimal wöchentlich herkam, auf seinem rechtmäßigen, angestammten Parkplatz, stand irgendein Idiot mit seinem dreckigen
     Moskwitsch.
    Seitdem der Eigentümer des Jeeps in diesem Haus eine Wohnung für seine Geliebte gemietet hatte, wagte fast keiner der hier
     wohnenden Autobesitzer mehr, den Lieblingsplatz des quadratischen Ganoven im Hof zu besetzen. Gewohnt, seinen Platz frei vorzufinden,
     fuhr er seinen Jeep auf den Hof, ohne hinzusehen. Deshalb bemerkte er den dreisten Moskwitsch zu spät.
    »Zur Hölle mit dir!« knurrte er und prallte mit seiner mächtigen Stoßstange auf das erbärmliche Hinterteil des Moskwitsch.
     
    Ohne zu begreifen, was geschah, ließ Lena sich auf den weichen, feuchten Rasen fallen und schützte Lisa mit ihrem Körper.
     Das Krachen war ohrenbetäubend. Im Hof heulten die Alarmanlagen der geparkten Autos los.
    Ganz in der Nähe flammte es grell auf. Lena wagte nicht hinüberzuschauen. Dicht vor sich sah sie die weit aufgerissenen, erschrockenen
     Augen ihres Kindes, die sich rasch mit Tränen füllten. Die Tränen liefen über die roten,schmutzbespritzten Wangen. Lena wunderte sich, daß Lisa lautlos weinte. Doch dann schwoll das Weinen allmählich zu einem verzweifelten,
     empörten Gebrüll an.
    Sie wollte aufstehen, aber ihre Beine fühlten sich an wie Watte. Zu dem vielfältigen Getriller der Alarmanlagen gesellte sich
     noch ein weiteres Geräusch – das Heulen der Polizeisirene. Innerhalb weniger Minuten war der Hof abgeriegelt.
    »Sind Sie und das Kind okay?« fragte ein beleibter junger Hauptmann und half Lena, aufzustehen. »Brauchen Sie einen Arzt?«
    »Ich weiß nicht«, flüsterte Lena kaum hörbar und nahm die schluchzende Lisa auf den Arm.
    »Ist das Ihr Kinderwagen?« Der Einsatzleiter in Zivil trat auf sie zu.
    Mit dem Gefühl einer eisigen Leere im Inneren wandte Lena langsam den Kopf. Mitten im Hof lag das Gerippe des Kinderwagens.
     An dem verbogenen Metallgestänge hingen brennende Fetzen von grünem Stoff und Plastik. Von den vier Rädern war nur eins übriggeblieben,
     das sich langsam und hilflos drehte.
    »Ja«, sagte Lena, »der gehört uns. Nur stand er anderswo, neben der Bank.«
    »Die Explosion hat ihn weggeschleudert«, erklärte der Hauptmann.
    »Mein Äffchen!« schrie Lisa, und ihr Schluchzen ging wieder in verzweifeltes Geheul über.
    »Ich muß nach Hause,

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