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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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das Kind umziehen. Wir wohnen ganz in der Nähe, zehn Minuten zu Fuß.« Lena konnte den Blick nicht von
     dem verbogenen Gestell losreißen.
    »Wir bringen Sie nach Hause. Dort drüben steht das Auto«, sagte der rundliche Hauptmann, »setzen wir uns hinein, dort ist
     es warm. Geben Sie mir Ihr Kind.«
    »Nein!« Lisa krallte sich mit Armen und Beinen an derMama fest. »Nein! Ich will nicht zu dem Onkel! Wo ist mein Äffchen?«
    »Gehört die Tasche Ihnen?« Der Einsatzleiter hob Lenas schwarze Lederhandtasche vom Boden auf.
    »Ja, danke.«
    In der Handtasche lag der kleine Plüschaffe. Lisa drückte das wie durch ein Wunder heil gebliebene Stofftier an ihren feuchten
     Overall und hörte auf zu weinen.
    ***
    Der Besitzer des Jeeps war völlig verblüfft. Er war doch nur leicht auf den schäbigen kleinen Moskwitsch aufgefahren, aber
     als Folge davon war ein Kinderwagen, der rund dreißig Meter von seinem Auto entfernt stand, explodiert. Im übrigen hatte er
     nicht viel Zeit, sich zu wundern. Er wußte, was nach der Explosion kommen würde, und die Aussicht, von den Bullen, die jeden
     Moment auftauchen mußten, verhört zu werden, behagte ihm überhaupt nicht.
    Laut und nervös fluchend legte er den Rückwärtsgang ein, gab Gas und sah gerade noch, daß eine Frau aus dem Moskwitsch sprang
     und wie der Blitz davonspurtete. Aber dafür interessierte er sich nicht weiter. Er mußte selbst so schnell wie möglich verschwinden,
     ohne gesehen zu werden.

Kapitel 18
    Regina bemühte sich, nicht zu rennen. Der verfluchte Hof lag längst hinter ihr. Sie ging sehr rasch, ohne sich umzusehen.
     Das aufdringliche, monotone Geheul der Polizeisirene verfolgte sie. Sie wußte, daß niemand hinter ihr her war, aber trotzdem
     durchbohrte der widerliche Ton ihr den Nacken.
    Jeder soll nur das tun, was er wirklich kann, hämmerteRegina sich monoton ein, während sie in dem staubfeinen Frühlingsregen rasch ausschritt. Jeder soll nur das tun …
    Sie kam an einer Haltestelle vorbei, an der gerade ein halbleerer Trolleybus hielt. Ohne auf die Nummer zu achten, stieg Regina
     ein und ließ sich auf einen freien Platz fallen. Die Türen schlossen sich, aber das Heulen der Polizeisirene peinigte sie
     noch immer, obwohl sie wußte, daß die Sirene nur in ihrem Kopf gellte.
    Nacken und Hals schmerzten entsetzlich. Diese elende kleine Schrottkarre hatte keine Kopfstützen an den Vordersitzen. Als
     der mächtige Jeep diesen Blechhaufen rammte, flog Reginas Kopf mit einem Ruck nach hinten, ihr Finger, der auf der Taste der
     winzigen Fernbedienung lag, zuckte. Die ferngelenkte Bombe reagierte sofort. Niemand war schuld, daß sie einige Minuten zu
     früh detonierte …
    Sie konnte froh sein, daß sie sich nicht das Genick gebrochen oder die Halswirbel ausgerenkt hatte. Die Muskeln schmerzten,
     aber das war eine Lappalie. Die Hauptsache war, sie hatte nicht das Bewußtsein verloren, war noch rechtzeitig hinausgesprungen
     und weggerannt. Es hätte alles viel schlimmer kommen können. Ja, sie mußte froh sein.
     
    »He, sind Sie taub?! Zeigen Sie Ihren Fahrschein!«
    Regina war so in Gedanken versunken, daß sie nicht sofort begriff, was man von ihr wollte. Als sie den Kopf hob, erblickte
     sie das dreiste runde Gesicht eines jungen Burschen über sich. Er hielt eine Art gekerbten Metallstab in der Hand und fuchtelte
     Regina damit vor der Nase herum. Ihr wurde plötzlich bewußt, daß sie schon rund zehn Jahre nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln
     gefahren war.
    »Entweder Sie bezahlen das Bußgeld, oder wir gehen aufs Revier!« Der Kontrolleur war nicht zu besänftigen.
    »Wieviel?« fragte sie den jungen Kerl leise.
    »Zehntausend«, erwiderte er erbost. »Da steht es doch deutlich geschrieben. Also los, Tempo!«
    »Entschuldigen Sie bitte. Sofort.«
    Sie wühlte in den Taschen der schäbigen Pelzjacke. Aber außer einem gefälschten Führerschein auf den Namen Galina Wladimirowna
     Tichonowa, einer Schachtel Zigaretten, einem Feuerzeug und der kleinen Fernbedienung war nichts in den Taschen.
    »Na, was gibt’s?« Der zweite Kontrolleur, ein etwas älterer Mann, aber mit ebenso dreister Visage, kam hinzu.
    »Die Frau hier will die Strafe nicht bezahlen«, erklärte der junge Kerl giftig.
    »Ich fühle mich sehr schlecht«, sagte Regina.
    »Na, dann ab aufs Revier.« Der ältere versuchte, sie am Ellbogen hochzuziehen.
    Die übrigen Fahrgäste drehten sich nach ihnen um.
    »Kein Gewissen habt ihr!« mischte eine alte Frau

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