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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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so kümmerte das Soun blutwenig. Ungemein empfindlich erwies er sich aber gegen die stückweisen Verstümmelungen, durch welche Kin-Fo seinen auf dem Rücken herabhängenden Zopf unnachsichtlich verkürzte, wenn es sich um ein ernsteres Vergehen handelte.
    Es ist bekannt, welch’ hohen Werth die Chinesen im Allgemeinen auf dieses bizarre Anhängsel legen. Der Verlust des Zopfes ist die erste Strafe des Verbrechers, wodurch er Zeit seines Lebens geschändet wird. Auch der bedauernswerthe Kammerdiener fürchtete nichts mehr als die Verurtheilung zum Verluste eines Stückes dieses besten Schmuckes. Vor vier Jahren, als Soun in Kin-Fo’s Dienste trat, maß sein Zopf – eines der schönsten Exemplare im ganzen Himmlischen Reiche – gut ein und ein viertel Meter. Heute war er nur noch siebenundfünfzig Centimeter, also nicht einmal halb so lang.
    Wenn das so fort ging, mußte Soun binnen zwei Jahren kahl sein!
    Inzwischen durchschritten Wang und Kin’Fo, die Dienerschaft ehrfurchtsvoll hinter ihnen, den Garten, dessen meist in gebrannten Thongefäßen stehende Bäume höchst kunstreich, aber leider so albern beschnitten waren, daß sie in Form phantastischer Thiergebilde erschienen. Dann wandelten sie um das von »Gouramis« und rothen Fischen belebte Bassin, dessen klares Wasser vor den blaßrothen großen Blüthen der »Nelumbo«, der schönsten im Reiche der Blumen einheimischen Nymphäe, kaum zu sehen war. Sie begrüßten die hieroglyphische Darstellung an einer besonders dazu aufgeführten Mauer, welche eine symbolische, lebhaft gefärbte Frescomalerei bildete, und gelangten endlich nach der Hauptthür des Wohnhauses im Yamen.
    Dieses Gebäude bestand aus einem Erdgeschoß mit einer Etage darüber, und war auf einer Terrasse, nach welcher sechs breite Marmorstufen hinaufführten, errichtet. Bambusflechtwerk vor den Thüren und Fenstern milderte durch einen Schatten einigermaßen die drückende Hitze und hinderte dabei doch nicht den Wechsel der Luft im Innern des Hauses. Das flache Dach des letzteren unterschied sich auffallend von den phantastischen Dachstühlen der innerhalb des Yamen launenhaft verstreuten Pavillons, die mit ihren seltsamen Zinnen, den bunten Dachziegeln und den seinen, Arabesken bildenden Backsteinen das Auge ergötzten.
    Im Innern befanden sich, mit Ausnahme der eigentlichen Wohnzimmer für Kin-Fo und Wang, größere Räume, von den umgebenden kleineren Gemächern mittelst durchscheinender Wände getrennt, über welche sich gemalte Blumenguirlanden hinzogen oder Kernsprüche aus der chinesischen Moral, mit denen man überhaupt nicht geizig ist, zu lesen waren. Ueberall standen sonderbar gestaltete Sitze aus gebranntem Thon oder Porzellan, aus Holz oder Marmor, ohne hier ein Dutzend Polstermöbel von mehr einladender Weichheit zu übergehen; überall hingen Lampen und Laternen in mannigfachster Gestalt aus zartgefärbtem Glase, und mit Quasten, Fransen und dergleichen reichlicher ausgeputzt als ein spanisches Maulthier; vielfach standen auch jene kleinen Theetischchen umher, welche man »Tcha-ki« nennt und als unentbehrlichen Bestandtheil einer chinesischen Zimmereinrichtung ansieht. Bei Betrachtung der Kunstwerke aus gravirtem Elfenbein und Perlmutter, der eingelegten Bronzen, der Räuchergefäße, der mit Gold-und Silber-Filigranarbeiten geschmückten lackirten Gegenstände, der milchweißen und smaragdgrünen Nephrite, der runden oder prismatischen Vasen von der Dynastie der Ming und Tsing her, des noch gesuchteren Porzellans aus der Zeit der Dynastie der Yen, der Emailarbeiten mit rosenrothen und gelben durchscheinenden Wänden, deren Herstellung noch heute ein ungelöstes Räthsel ist, hätte man mehrere Stunden zwar nicht verloren, aber gewiß darauf verwenden müssen. Diese luxuriöse chinesische Wohnung zeigte mit einem Worte die ganze chinesische Phantasie in Verbindung mit dem Comfort Europas.
    In der That gehörte Kin-Fo, wie wir es schon aussprachen und sein Geschmack es bezeugte, zu den Anhängern des Fortschrittes. Keiner neueren Erfindung der Abendländer gegenüber verhielt er sich ablehnend und gehörte der noch kleineren Kategorie der Söhne des Himmels an, welche es sich angelegen sein lassen, gründliche Kenntnisse der Chemie und Physik zu erwerben. Er hielt sich fern von den Barbaren, deren ruchlose Hand die Telegraphendrähte durchschnitt, welche die Firma Reynolds bis Wusung hinleiten wollte, um die mit der englischen und amerikanischen Post anlangenden Nachrichten

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