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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gebaute Landungsboote. Schiffe, Schiffe, Schiffe, soweit das Auge reichte. Es müssen Hunderte sein, dachte Flick.
    Der Pilot neigte die Maschine zur anderen Seite, und aus dem Fenster gegenüber bot sich der gleiche Anblick.
    »Paul, schau dir das an!«, rief sie.
    Er kam zu ihr und stellte sich neben sie. »Menschenskind!«, sagte er. »So viele Schiffe hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen!«
    »Die Invasion!«, sagte Flick.
    »Guckt mal vorne raus«, schlug der Navigator vor.
    Flick ging nach vorn und blickte dem Piloten über die Schulter. Schiffe über Schiffe bedeckten das Meer wie ein Teppich, Meile um Meile nichts als Schiffe, soweit sie sehen konnte. Sie hörte Paul ungläubig sagen: »Ich wusste gar nicht, dass es auf dieser ganzen verdammten Welt so viele Schiffe gibt!«
    »Was glauben Sie, wie viele das sind?«, fragte Ruby.
    Der Navigator antwortete: »Ich hab was von fünftausend gehört.«
    »Erstaunlich«, sagte Flick.
    »Ich gab was drum«, sagte der Navigator, »wenn ich dabei sein könnte, Sie nicht auch?«
    Flick sah Paul an und dann Ruby, und dann grinsten sie alle drei. »Aber das sind wir doch«, sagte sie. »Wir sind doch alle längst dabei.«

+ + + ein jahr später + + +
    mittwoch, 6. juni 1945
    Die Londoner Prachtstraße Whitehall war beiderseits mit prunkvollen Gebäuden flankiert, die den Glanz des alten Empire aus der Zeit von vor ungefähr hundert Jahren verkörperten. Viele der hohen Räume dieser eindrucksvollen Bauten mit ihren langen Fensterfluchten waren seither mithilfe billiger Trennmauern unterteilt worden, um Büros für subalterne Beamte und Besprechungszimmer für die Konferenzen unwichtiger Komitees zu schaffen. Die Medals (Clandestine Actions) Working Party, das Unterkomitee eines Unterkomitees, das über die Verleihung von Orden für geheimdienstliche Tätigkeiten befand, trat in einem dreizehneinhalb Quadratmeter großen, fensterlosen Raum zusammen, dessen eine Wand zur Hälfte von einem riesigen, unbeheizten Kamin in Anspruch genommen wurde.
    Simon Fortescue vom MI 6 – gestreifter Anzug, gestreiftes Hemd, gestreifte Krawatte – führte den Vorsitz. Die Special Operations Executive war durch John Graves vom Ministerium für Wirtschaftliche Kriegsführung vertreten, das die gesamte Kriegszeit über offiziell für die SOE zuständig gewesen war. Graves trug, ebenso wie die anderen Zivilisten in diesem Komitee, die so genannte Whitehall-Uniform: ein schwarzes Jackett zu gestreiften grauen Hosen. Auch der Bischof von Marlborough im purpurfarbenen Hemd der Kirche war gekommen. Seine Anwesenheit diente zweifellos dazu, der Verleihung von Orden an Männer, die andere Männer getötet hatten, den rechten moralischen Anstrich zu geben. Colonel Algernon »Nobby« Clarke, ein Geheimdienstoffizier, war das einzige Mitglied des Komitees, das aktiv am Krieg teilgenommen hatte.
    Während die Männer sich berieten, servierte die Sekretärin des Komitees Tee; dazu wurde ein Teller mit Gebäck herumgereicht.
    Der Vormittag war schon halb vorüber, als sie zum Fall der Dohlen von Reims kamen.
    John Graves sagte: »Die Gruppe bestand aus sechs Frauen, von denen nur zwei zurückgekommen sind. Aber diese Frauen haben die
    Fernmeldezentrale in Sainte-Cecile zerstört, die obendrein der Gestapo als regionales Hauptquartier diente.«
    »Frauen?«, fragte der Bischof. »Sagten Sie sechs Frauen?«
    »Ja.«
    »Ach du liebe Güte.« Der Tonfall verriet Missbilligung. »Warum denn Frauen?«
    »Die Fernmeldezentrale war schwer bewacht. Sie gelangten hinein, indem sie sich als Putzfrauen ausgaben.«
    »Ach so.«
    Nobby Clarke, der bislang fast nur stumm dagesessen und eine Zigarette nach der anderen geraucht hatte, sagte nun: »Nach der Befreiung von Paris habe ich einen Major Goedel verhört, der Rommels Adjutant war. Er erzählte mir, dass die Wehrmacht durch den Zusammenbruch des Fernmeldewesens am Tag der Invasion buchstäblich gelähmt gewesen sei. Seiner Meinung nach hat dieses Ereignis in signifikanter Weise zum Erfolg der Invasion beigetragen. Bis heute hatte ich keine Ahnung, dass eine Hand voll Mädchen dahinter steckte. Meines Erachtens wäre hier das Military Cross angemessen, oder?«
    »Vielleicht«, sagte Fortescue und gab sich auf einmal sehr moralisch. »Es gab allerdings disziplinarische Probleme mit der Gruppe. Gegen Major Clairet, die Anführerin, wurde offiziell Beschwerde erhoben, nachdem sie einen Offizier der Garde beleidigt hatte.«
    »Beleidigt?«, fragte der

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