Die Leopardin
Maschinenpistole mit Gitterrahmen, genau das Modell, das die Resistance bevorzugte.
»Mein Gott«, sagte er und griff in seine Jackettasche. Doch im selben Moment fiel ihm ein, dass er gar keine Waffe bei sich trug.
Wo war Stephanie? Er sah sich um. Es fehlte nicht viel, und der Schock hätte ihn in Panik verfallen lassen. Doch Stephanie stand hinter ihm und wartete geduldig auf das Ende seiner Auseinandersetzung mit Weber.
»Hinlegen!«, brüllte er sie an.
Im selben Augenblick knallte es auch schon.
Flick stand auf Zehenspitzen im Eingang des Cafe des Sports und spähte Michel über die Schulter. Ihr Herz schlug heftig, ihre Aufmerksamkeit war geschärft, die Muskeln vor Tatendrang gespannt, doch ihr Kopf war kühl, als flösse Eiswasser durch ihr Hirn. Mit kühler Distanz beobachtete sie die Szenerie und kalkulierte ihre Chancen.
Acht Posten waren zu sehen: Zwei am Tor kontrollierten Passierscheine, zwei weitere standen gleich hinter dem Tor, ein drittes Paar patrouillierte hinter dem schmiedeeisernen Zaun, und ein viertes stand am oberen Ende der kurzen Treppe, die zum großen Schlossportal hinaufführte. Michels Kerntruppe würde jedoch das Tor umgehen.
Die lange Nordwand der Kirche war in die den Schlosspark umgebende Mauer integriert, und das nördliche Querschiff ragte ein paar Meter in den Parkplatz hinein, der einst ein Teil des Ziergartens gewesen war. Zuzeiten des Ancien Regime pflegte der Schlossherr die Kirche durch einen Privateingang zu betreten, eine kleine Tür in der Mauer des Querschiffs, die vor mittlerweile mehr als hundert Jahren mit Brettern vernagelt und überputzt worden war. An diesem Sachverhalt hatte sich bis heute nichts geändert.
Vor einer Stunde jedoch hatte Gaston Lefevre, ein Rentner und ehemaliger Steinbrucharbeiter, die leere Kirche betreten und am Fuß des blockierten Durchgangs mit großer Sorgfalt vier halbpfundschwere Stangen gelben Plastiksprengstoffs deponiert, sie mit Zündern versehen und miteinander verbunden, sodass sie gleichzeitig explodieren würden. Dazu hatte er eine Fünf-Sekunden-Lunte montiert, die durch einen Schalter per Daumendruck gezündet wurde, zur Tarnung schließlich alles mit Asche aus seinem Küchenherd überschmiert und zu guter Letzt noch eine alte Holzbank über die Bombe geschoben. Zufrieden mit seinem Werk kniete er nieder, um zu beten.
Als die Kirchenglocken vor ein paar Sekunden verstummt waren, hatte Lefevre sich von seiner Kirchenbank erhoben, war durchs
Hauptschiff ins Querschiff gegangen, hatte den Schalter betätigt und schnell hinter der Ecke Deckung gesucht. Die Detonation schüttelte den Staub von Jahrhunderten von den gotischen Bögen, doch da sich während der Gottesdienste niemand im Querschiff aufhielt, gab es keine Verletzten.
Nach dem Explosionsknall herrschte für einen beklemmend langen Augenblick Stille auf dem Platz. Alle Anwesenden erstarrten: die Wachen vor den Toren, die Patrouille am Zaun, der Gestapo-Major ebenso wie der gut gekleidete deutsche Zivilist mit seiner feudalen Begleiterin. Flick, vor banger Erwartung aufs Höchste angespannt, blickte über den Platz und durch das schmiedeeiserne Gatter in den Schlosspark. Auf dem Abstellplatz für die Fahrzeuge war als Relikt aus dem 17. Jahrhundert, der Entstehungszeit des Gartens, ein steinerner Brunnen übrig geblieben. Wo einst Wasserfontänen gesprudelt hatten, tummelten sich nur noch drei bemooste Putten über einem ausgetrockneten Marmorbecken. Drum herum standen ein Lastwagen, ein Panzerspähwagen, eine Mercedes-Limousine im graugrünen Anstrich der deutschen Wehrmacht sowie zwei schwarze Citroëns mit Vorderradantrieb vom Typ Traction Avant – das Lieblingsgefährt der Gestapo in Frankreich. Ein Soldat war gerade dabei, einen der Citroëns aufzutanken; die Zapfsäule stand völlig deplatziert direkt vor einem der hohen Fenster des Schlosses. Sekundenlang rührte sich gar nichts. Flick wartete mit angehaltenem Atem.
Unter den Gottesdienstbesuchern in der Kirche befanden sich zehn Bewaffnete. Der Pfarrer, der kein Sympathisant der Resistance und infolgedessen nicht vorgewarnt war, musste sich über den unerwarteten Andrang zu der normalerweise nicht sehr beliebten Abendandacht gefreut haben. Möglich, dass er sich gewundert hatte, dass so viele Gläubige im Mantel erschienen waren, obwohl es doch eigentlich ein warmer Tag war, doch nach vier Jahren der Entbehrung trugen viele Menschen manchmal etwas merkwürdige Kleidung. Ein Mann, der im Regenmantel in die
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