Die letzte Chance - Final Jeopardy
abzugrenzen.«
Wir hatten bei ein paar solcher Tatorte im Central Park und im Morningside Park zusammengearbeitet, und daher wußte ich genau, was er meinte. Ohne Augenzeugen und ohne klare Abgrenzungen - wie die vier Wände eines Zimmers oder die Umrisse eines Daches - konnte die Polizei nur mühsam herausfinden, wie weit sie die Suche nach Anhaltspunkten ausdehnen mußte. Schließt man sie anderthalb Meter zu früh ab, übersieht man wahrscheinlich ein wichtiges Beweisstück, versäumt man aber, sie an einem plausiblen Punkt zu begrenzen, bezieht man alles mögliche unwichtige Zeug mit ein, das die Ermittler nur ablenkt.
»Im Augenblick vermuten wir, daß der Mörder sich auf der anderen Seite der Mauer versteckte. Sie bietet eine natürliche Deckung und eine perfekte Auflage für die Schußwaffe. Das Ziel kam hereingefahren, bewegte sich aber ruhig und langsam. Wer immer dies getan hat, war ein guter Schütze. War vermutlich nicht viel mehr als drei oder dreieinhalb Meter von Miss Lascar entfernt. Sie bekam zwei, vielleicht auch drei Schüsse in Kopf und Hals. Da bleibt nicht mehr viel übrig, was uns weiterhelfen könnte.«
»Um was für eine Art von Schußwaffe handelt es sich eigentlich?« erkundigte sich Mike.
Waldron zögerte. Ich wußte, er würde am liebsten auf stur schalten und uns überhaupt nichts sagen, aber sein Instinkt schien dagegen anzukämpfen. Er war sich wohl darüber im klaren, daß er mehr von einem Kriminalbeamten wie Mike profitieren würde als von Wally.
»Wir haben den Bericht des Leichenbeschauers noch nicht. Ich schätze, es handelt sich um ein Gewehr mit großer Durchschlagskraft. Die Experten haben von einer Menge innerer Verletzungen gesprochen. Der Schädel war zertrümmert.«
Ich zuckte bei dieser Schilderung zusammen, obwohl ein solches Bild in den letzten 36 Stunden immer wieder vor meinem geistigen Auge aufgeblitzt war.
»Sie muß sofort tot gewesen sein«, fuhr Waldron fort. »Wir vermuten, daß der Wagen aus der Spur geriet und gegen diesen Baum fuhr, als sich ihr Körper unter den Schüssen aufbäumte. Jedenfalls stand er genau dort, als sie gefunden wurde.«
Jetzt schaltete sich Wally ein, bemüht, seine Leute ins rechte Licht zu rücken, weil sie Isabellas Leiche gefunden hatten.
»Na ja, ich fuhr gegen sechs heim zum Essen. Da kam ein Anruf von Ihrem Nachbarn, Mr. Patterson. Sagte, sein Hund - Sie kennen doch seinen Collie, Alex? -, tja, er sagte, sein Hund sei nach Hause gekommen, die Pfoten voller Blut. Dabei hatte er sich nirgends geschnitten, obwohl er wie verrückt winselte, aber er war über und über mit Blut beschmiert. Mr. Patterson sagte, da oben müsse irgendein großes Tier getötet worden sein, bei soviel Blut. Er war fuchsteufelswild - er kann’s nicht leiden, wenn einem die Jäger vor der Saison ins Gehege kommen - und verlangte, daß meine Jungs mal da oben nachsehen.«
Die indirekte Beschreibung des Wagens und dessen, was von Isabella übriggeblieben war, hörte sich makaber an.
»Der verdammte Hund war einfach zu neugierig. Hat die Abdrücke seiner Vorderpfoten über die ganze Beifahrertür verteilt, wo das Blut runtertropfte, darum hat er sich damit so bekleckert. Der Kopf - oder wie man das noch nennen konnte - von der armen jungen Dame lag oben auf dieser Tür. Sie war einfach aus ihrem Sitz geschleudert worden - zum Glück war auf dem Wagen kein Dach, sonst hätte sie das noch durchstoßen. Das Blut war überall.«
Waldron schaltete sich wieder ein und erklärte, Wallys Leute hätten ihre Sache gut gemacht. »Sie haben nichts angefaßt. Haben das Ganze einfach abgesperrt und die Staatspolizei benachrichtigt. Die Trooper haben dann uns eingeschaltet, weil sie dachten, Sie seien das Opfer, Alex. Sie glaubten, falls Sie in Massachusetts dienstlich unterwegs gewesen wären, dann könnte das unter die Bundesgerichtsbarkeit fallen. Irgend jemand in Wallys Dienststelle hat gewußt, daß Sie vor ein paar Monaten beauftragt waren, in einem Kinderpornographiefall in mehreren Staaten zu
ermitteln. Na, jedenfalls meint Wally, Sie hätten immer Arbeit dabei, wenn Sie hier oben wären - Sie könnten am Wochenende einfach nicht abschalten.«
Ich nickte verständnisvoll.
»Gibt es Fotos von der Leiche im Auto?« wollte Mike wissen.
»Selbstverständlich. Der Tatort wurde vom Agententeam gründlich bearbeitet.«
»Hat irgendwer die Schüsse gehört?«
Wir befanden uns noch immer auf Wallys Territorium. »Soweit wir wissen, nein, Mike. Das ist ein
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