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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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dazu beigetragen hatten, die Briten in die Stadt zu holen. Lord Hood konnte es unmöglich gelungen sein, sie alle zu evakuieren.
    »Was, glauben Sie, wird aus all diesen Leuten, Kapitän?«, fragte Barthe und bezog sich dadurch auf genau die Menschen, bei denen Hayden im Augenblick mit seinen Gedanken war.
    Hayden schüttelte den Kopf. »Wünschenswert wäre ein Verfahren, doch wie es scheint, hat der Blutdurst das Land im Griff.«
    »Ein Verfahren!«, polterte Worthing los. »Halten Wölfe ein Gerichtsverfahren ab? Haben wir nicht alle gelesen, was sich in diesem verfluchten Land abspielt? Wie die Guillotine Tag und Nacht im Einsatz ist? Die Königin wurde hingerichtet. Der Herzog von Orléans lebt nicht mehr. Die Führer der Girondisten wurden enthauptet. Marat ermordet. Madam Roland, Bailey, Barnave – die Franzosen sind kein Volk mehr, sie sind Tiere.«
    Betretenes Schweigen senkte sich herab, doch ehe Hayden etwas erwidern konnte, schaute Griffiths von seinem Teller auf und fixierte den Geistlichen mit düsterem Blick.
    »Ich wurde einst zu einer Hinrichtung gerufen, Dr. Worthing, von dem Mann, der mich in Chirurgie und Anatomie unterrichtete – zu einer Hinrichtung in England . Bei dem Straftäter handelte es sich um eine junge Frau, die nicht älter als Mitte zwanzig war. Sie war rechtskräftig verurteilt worden, so hieß es jedenfalls, da man ihr nachgewiesen hatte, sie habe ein paar Brotlaibe gestohlen. Da keine Guillotine zur Hand war, brachte man sie in einem offenen Karren zum Galgen, betrunken, vermutlich aus Mitgefühl. Bei ihr war ein Junge ...«, er nickte in Wickhams Richtung, »... vielleicht halb so alt wie Mr Wickham. Er sollte für sein Vergehen halb zu Tode gedrosselt werden. Die junge Frau torkelte auf das Schafott, vor den Augen zivilisierter Männer und Frauen. Edelleute saßen in ihren Kutschen, die Damen hatten sich für diesen Anlass fein herausgeputzt. Die Menge johlte ausgelassen, als die junge Frau den Junggesellen Küsse zuwarf und sich in ihrer Trunkenheit auf ein Geplänkel mit dem Scharfrichter einließ, der sie dann abrupt ins Jenseits beförderte. Anschließend wurde der Junge aufs Schafott geschleift. Er weinte und flehte die Umstehenden hysterisch an, ihn nicht zu töten, woraufhin das Publikum schrie Schande über dich! , da sie diese Feigheit nicht gutheißen konnten. Deswegen waren sie ja schließlich nicht gekommen! Der Scharfrichter stieß den Jungen zu Boden, drückte ihm einen Fuß auf die Brust, schlang ihm dann den Strick um den Hals und drosselte ihn, bis er die Besinnung verlor. Als der kleine Straftäter reglos dalag, wurde ihm der Strick abgenommen, und der Junge wurde mit einem Schwall kalten Wassers wieder in diese gerechte Welt zurückgeholt. Dann zerrte man den verängstigten Wicht wieder zu dem Karren, band ihn dahinter fest, riss ihm die Kleidung vom Leib und peitschte ihn für sein Vergehen durch die Straßen – ich vergaß zu erwähnen, dass sein Vergehen darin bestand, gebettelt zu haben. Erst da erfuhren wir, dass die Frau, die am Galgen gestorben war, seine Mutter war, und viele in der Menge taten nun ihre Meinung kund, dass dies eine willkommene Lektion für den Burschen gewesen sei. Die tote Frau wurde daraufhin ihrem Vater übergeben, der mit einem Handkarren in der Nähe wartete. Als der Alte seine Tochter wegschob, hatte er das Pech, der Kutsche eines Mannes und einer Frau den Weg zu versperren, worauf sich die Dame so ereiferte, dass sie die Peitsche packte und den Alten verprügelte. Der Handkarren fiel um, und die Leiche der jungen Frau landete im Dreck.«
    Griffiths nahm einen Schluck Wein mit zittriger Hand und fuhr dann fort.
    »Aber jetzt klingt es so, als wäre ich nichts weiter als ein Zuschauer von vielen gewesen. Zwei Tage später jedoch schickte mein Lehrer zwei Kollegen von mir, seinen Diener und mich in der Nacht zum Schindanger, um den Leichnam der jungen Frau auszugraben, damit wir eine frische Leiche für unseren Anatomiekurs hatten. Wir losten, und ich musste ihr den Kopf vom gebrochenen Hals abtrennen. Wir sollten uns hüten, uns besser darzustellen als die Franzosen oder irgendein anderes Volk, möchte ich meinen.«
    Am Tisch herrschte Schweigen.
    Worthing jedoch schien es bei diesem Bericht nicht die Sprache verschlagen zu haben. »Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen, Mr Griffiths. Die Frau war eine Kriminelle, sie stand vor Gericht und wurde für schuldig befunden. Und bestraft wurde sie gemäß den Gesetzen

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