Die letzte Eskorte: Roman
Boot ab, ein Windstoß kam vom Hafen, blähte die Segel und drückte die Themis weiter. Die Schüsse von der Küste ließen nicht nach, und das Kreischen der Kugeln zerrte an den Nerven jedes Mannes. Zwei schwere Geschosse trafen den Rumpf der Themis am Bug, doch das Schiff hatte Fahrt und ließ die eigenen Geschütze sprechen. Inzwischen war die Fregatte in eine dichte Rauchwolke gehüllt, die sich bei diesen Windverhältnissen nur langsam verzog. Wickham kletterte bis zur Spitze des Klüverbaums, konnte wieder besser sehen und übernahm die Funktion des Lotsen.
Als der Große Turm an Backbord hinter ihnen lag, verspürte Hayden zum ersten Mal wieder eine Woge der Erleichterung, die durch seinen verspannten Körper lief.
»Wir sind raus, Kapitän«, verkündete Hawthorne. Er hob eine Hand, ganz so, als wolle er Hayden auf die Schulter klopfen, besann sich dann jedoch und zeigte schließlich etwas linkisch grob in Richtung Küstenverlauf.
»Werfen Sie dem Beiboot ein Tau zu, dann nehmen wir sie ins Schlepptau«, ordnete Hayden an. »Ich möchte ungern beidrehen, so lange dieser Wind anhält.«
Während sie langsam den inneren Hafen verließen, drehte die Brise, die bislang aus Nord-Nordost gekommen war, ganz nach Ost.
»Auf diesem Kurs werden wir Cap Cépet nicht umfahren können, Kapitän«, stellte der Master fest. Er stand an der Kompasssäule. »Wenn wir gezwungen sind, mehrere Schläge zu machen, um das Kap zu umschiffen, schicken die Franzosen sich vielleicht an, uns zu verfolgen.«
»Noch hat sich der Wind nicht gelegt, Mr Barthe. Hoffen wir, dass er noch ein wenig auffrischt, wenn wir die Küste hinter uns lassen.«
»Und das könnte durchaus sein, Kapitän«, stimmte Barthe zu. »Wir hatten in dieser Nacht Glück. Beten wir, dass es uns noch eine Weile hold ist.«
Wie grelle Blitze zuckten die Küstenbatterien entlang der Halbinsel, und Hayden gab den Befehl, das Feuer zu erwidern. Das Schiff hatte kaum genügend Raum, um auf das Ruderblatt anzusprechen, doch dann frischte der unzuverlässige Wind doch noch auf und brachte sie weiter hinaus aufs Meer.
Inzwischen war Archers Boot längsseits gekommen, die Crew wurde an Bord geholt. Hayden durfte nicht noch ein Boot verlieren, daher nahmen sie es ins Schlepptau, obwohl das die Themis in diesem Wind etwas langsamer machte.
Auf dem Quarterdeck herrschte Stille. Die französischen Batterien schossen zwar weiterhin, aber nur wenige Kugeln fanden ihren Weg bis zur Themis . Barthe und Franks hatten Männer in die Takelage geschickt, um Reparaturen vorzunehmen, während die Geschützmannschaften alle Hände voll zu tun hatten, das Feuer gebührend zu erwidern – mit der Zielsetzung, die Themis mit Rauchwolken einzuhüllen. Der Lotgast sang die Tiefe aus, bis der Grund anstieg.
»Mr Barthe?«, rief Hayden dem Master zu. »Wie kommen Sie mit den Ausbesserungen voran, Sir? Ich denke, wir müssen eine Wende machen.«
»Wir können jeden Augenblick wenden, Sir«, antwortete Barthe aus der Kuhl.
»Dann halten Sie sich bereit.«
Ehe der Befehl zur Wende gegeben werden konnte, frischte der achterliche Wind auf, sodass der Lotgast den Grund nicht mehr mit dem Senkblei erreichte. Die dunkle Masse des Cap Cépet lag nun weiter an Steuerbord, als das Schiff den Kurs änderte. Vorerst mussten sie auf das Wendemanöver verzichten.
Der Lotgast arbeitete wie besessen, während die Themis das Kap umrundete, und sang die Tiefenangaben über den Krach der französischen Geschütze hinweg aus. In diesem Augenblick erschien Griffiths an Deck und war bei den Lichtverhältnissen nicht mehr als ein grauer, auffallend schmaler Schatten.
Hayden, dem die Augen vom Pulverdampf tränten, sah den Schiffsarzt wie durch eine getönte Glasscheibe, verzerrt und verschwommen.
»Doktor«, grüßte er, als Griffiths an ihn herantrat.
»Es tut mir aufrichtig leid, Ihnen mitteilen zu müssen, Kapitän, dass Saint-Denis soeben aus dem Leben geschieden ist«, erklärte der Doktor verhalten. »Die Musketenkugel traf ihn ins Herz, er ist schlichtweg verblutet.«
Der Schiffsarzt hielt einen Moment inne. Hayden spürte, dass Griffiths mit seinen Ausführungen noch nicht fertig war, fragte sich indes, was es noch zu sagen gab.
»Als das Ende nahte, bat er um Feder und Papier, doch ihm fehlte die Kraft zum Schreiben. Mr Ariss war so freundlich, alles für ihn aufzuschreiben, da er glaubte, Saint-Denis wolle seiner Familie schreiben oder vielleicht sein Testament machen.« Wieder unterbrach
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